Die Säulen der Schöpfung - 13
legte ihr beschützend einen Arm um die Schultern, als sie sich einen Weg durch den riesigen Schankraum bahnten, um sie vor den neugierigen Blicken in Schutz zu nehmen, während er sie zur Treppe auf der gegenüberliegenden Seite führte; Gedränge und Lärm in der Gaststube schienen erstaunlicherweise sogar noch zugenommen zu haben.
Ohne innezuhalten gingen die beiden die Treppe hinauf und ein Stück den dunklen Flur entlang. Rechter Hand entriegelte Sebastian eine Tür und drehte drinnen den Docht der auf dem kleinen Tisch stehenden Öllampe hoch. Neben der Lampe gab es einen Wasserkrug mit Waschschüssel und gleich beim Tisch eine Bank. An der Seitenwand des Zimmers stand ein in seiner Wuchtigkeit bedrohlich wirkendes Bett, das schlampig mit einer dunkelbraunen Decke zugedeckt war.
Das Zimmer machte einen besseren Eindruck als ihr Zuhause, das sie aufgegeben hatte, doch Jennsen gefiel es trotzdem nicht. Eine Wand war mit einem gelblich braunen, bemalten Leinenstoff bezogen. Die verputzten Wände waren schmutzig und voller Flecken. Da sich das Zimmer im ersten Stock befand, führte der einzige Weg nach unten wieder zurück durch die Gaststube. Sie fand den Gestank im Zimmer widerlich – eine säuerliche Mischung aus Pfeifenrauch und Urin.
Während Jennsen ein paar Dinge aus ihrem Rucksack nahm und zum Tisch hinüberging, um sich das Gesicht zu waschen, überließ Sebastian sie ihrem Tun und ging wieder nach unten. Sie war gerade mit Waschen fertig und hatte sich das Haar gebürstet, als er mit zwei Schalen Lammeintopf zurückkehrte; außerdem hatte er braunes Brot sowie zwei Krüge Bier mitgebracht. Sie aßen, auf der kurzen Bank eng beieinander sitzend, über den Tisch gebeugt, ganz nah beim Schein der flackernden Öllampe.
Der Eintopf schmeckte längst nicht so gut, wie er aussah. Sie pickte sich die Fleischstücke heraus, das farb- und geschmacklose verkochte Gemüse dagegen rührte sie nicht an. Einen Teil der Flüssigkeit tunkte sie mit dem harten Brot auf, doch ihr Bier überließ sie Sebastian und trank statt dessen Wasser. Das Bier hatte für sie einen ebenso unangenehmen Geruch wie das Lampenöl, Sebastian schien es allerdings zu mögen.
Als sie fertig war mit Essen, lief Jennsen in der engen Kammer auf und ab wie Betty in ihrem Verschlag. Sebastian setzte sich rittlings auf die Bank und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine blauen Augen folgten ihr vom Bett zur Wand und wieder zurück.
»Warum legt Ihr Euch nicht hin und schlaft ein wenig«, schlug er mit sanfter Stimme vor. »Ich passe schon auf Euch auf.«
Mit einem Mal fühlte sie sich wie ein Tier in der Falle. Sie sah ihn fragend an, während er einen kräftigen Schluck Bier aus seinem Krug nahm. »Und wie gehen wir morgen weiter vor?«
Es war nicht nur ihre Abneigung gegen das Gasthaus und das Zimmer, auch ihr schlechtes Gewissen machte ihr zu schaffen. Deshalb wartete sie seine Antwort nicht ab, sondern fügte hinzu, »Sebastian, ich muß Euch darüber aufklären, wer ich bin, da Ihr mir gegenüber auch stets aufrichtig wart. Ich kann Euch unmöglich weiter begleiten und Eure Mission gefährden, denn ich weiß nichts über die wichtigen Dinge, die Ihr tut. Aber wenn Ihr weiter bei mir bleibt, bringt Ihr Euch in große Gefahr. Ihr habt mir bereits mehr geholfen, als ich mir erhofft hatte und darüber hinaus erwarten konnte.«
»Jennsen, ich bin allein schon durch mein Hiersein in Gefahr, denn ich befinde mich in Feindesland.«
»Und Ihr seid ein Mann von hohem Rang, ein wichtiger Mann.« Sie versuchte sich ein wenig Wärme in ihre eiskalten Finger zu reiben. »Wenn man Euch gefangen nähme, nur weil Ihr mich begleitet habt… also, ich könnte das nicht ertragen.«
»Es war meine Entscheidung, hierher zu kommen.«
»Aber ich war nicht aufrichtig zu Euch – ich habe Euch zwar nicht angelogen, habe Euch aber etwas verschwiegen, das ich Euch längst hätte sagen sollen. Ihr seid ein zu wichtiger Mann, um mich zu begleiten, ohne zu wissen, weshalb man mich verfolgt oder worum es bei dem Überfall in unserem Haus ging.« Mühsam versuchte sie, den schmerzhaften Kloß in ihrer Kehle hinunterzuschlucken. »Und weshalb meine Mutter ihr Leben lassen mußte.«
Er erwiderte nichts, sondern ließ ihr einfach Zeit, sich zu sammeln und es ihm in ihren eigenen Worten zu erklären. Vom ersten Augenblick ihrer Begegnung an war er ihr niemals zu nahe gekommen, nachdem er ihre Angst bemerkt hatte, und hatte ihr stets den Raum gelassen, den
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