Die Säulen der Schöpfung - 13
Regenrinnen herabstürzenden Wassermassen rauschten. Immer wieder wurde die Dunkelheit draußen vor den Fenstern von Blitzen zerrissen.
Er lauschte auf das leise Rasseln der Steine, es war, als sprächen die Gebeine der Toten zu ihr. Zum ersten Mal in ihrem gemeinsamen Leben empfand er so etwas wie Abscheu und Feindseligkeit gegenüber den Steinen in ihrer Hand, so als wären sie ein Liebhaber, der gekommen war, um sie ihm fortzunehmen.
Althea saß auf ihrem rotgoldenen Kissen und streute erneut die Steine über die Huldigung.
Schicksalsergeben verfolgte er, wie sie erst über das Brett purzelten und schließlich, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, auf exakt denselben Punkten wie zuvor liegen blieben. Überrascht wäre er nur gewesen, wenn sie sich anders angeordnet hätten.
»Sieben«, sagte sie leise. »Siebenmal sieben Steine.«
Man hörte einen tiefen, hallenden Donner, eine unzufriedene Stimme der Seelen aus der Unterwelt.
Friedrich legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter. Eine Erscheinung war in ihr Haus eingedrungen und hatte sich in ihr Leben gedrängt; sehen konnte er sie nicht, aber er wußte, daß sie da war. Eine ungeheure Mattigkeit befiel ihn, so als spürte er plötzlich all die Jahre seines Lebens auf einmal, die ihn unter ihrem Gewicht zu erdrücken schienen und ihm das Gefühl gaben, alt, sehr alt zu sein. Er fragte sich, ob dies in geringerem Maß der Mattigkeit entsprach, die sie stets nach einer Weissagung verspürte. Die Vorstellung, sich immer in einem solchen Zustand emotionaler Aufgewühltheit zu befinden, ließ ihn schaudern. In ihrer Blindheit für die Turbulenzen der stürmischen Kräfte rings um sie her erschien ihm seine Welt, die Welt des Vergoldens, im Vergleich dazu sehr einfach und glücklich.
Das Schlimmste aber war, daß er sie vor dieser unsichtbaren Bedrohung nicht schützen konnte. In dieser Hinsicht war er völlig hilflos.
»Was hat das zu bedeuten, Althea?«
Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt und starrte noch immer unverwandt auf die abgewetzten dunklen Steine.
»Es kommt jemand, der die Stimmen hört.«
Ein blendender, wütender Blitz zuckte und ließ den Raum in seinem weißen Gleißen taghell aufleuchten, der flimmernde Kontrast zwischen strahlend hellem Licht und alles erstickender Dunkelheit war Schwindel erregend. Das heftige Flackern schien noch nicht ganz erloschen, als ein krachender Donnerschlag erfolgte, dessen dumpfer Nachhall den Boden erzittern ließ. Unmittelbar darauf folgte ein weiteres ohrenbetäubendes Krachen.
Friedrich schluckte. »Weißt du auch, wer?«
Sie langte hinauf und tätschelte die auf ihrer Schulter ruhende Hand. »Tee. hast du gesagt? Mir ist ein wenig kalt vom Regen. Ja, ich hätte gern einen Tee.«
Sein Blick wanderte von ihren faltigen, lächelnden Augen zu den Steinen auf ihrer Huldigung. Was immer der Grund sein mochte, im Augenblick war sie nicht bereit, die Frage zu beantworten; also stellte er statt dessen eine andere.
»Warum sind deine Steine so gefallen, Althea? Was könnte das bedeuten?«
Ganz in der Nähe schlug ein Blitz ein; das anschließende Krachen des Donners fühlte sich an, als bestünde die dabei zerreißende Luft aus massivem Stein. Der Regen peitschte in hemmungslosen Wellen gegen die Fensterscheiben.
Schließlich löste Althea ihren Blick vom Fenster, hinter dem die Schöpfung ihrem Zorn freien Lauf ließ, und wandte sich wieder dem Brett zu. Sie streckte die Hand vor und berührte den Stein in der Mitte mit dem Zeigefinger.
»Der Schöpfer?«, riet er laut, bevor sie ihn benennen konnte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Lord Rahl.«
»Aber der Stern im Zentrum steht doch für den Schöpfer – für seine Gabe.«
»Innerhalb der Huldigung trifft das auch zu. Nur darfst du nicht vergessen, daß es sich hier um eine Weissagung handelt, das ist etwas völlig anderes. Eine Weissagung bedient sich lediglich der Huldigung, und in dieser Weissagung steht der Stein im Zentrum für den, der im Besitz Seiner Gabe ist.«
»Dann könnte es also jeder x-Beliebige sein«, erwiderte Friedrich. »Jeder, der die Gabe besitzt.«
»Nein. Die von den acht Zacken des Sterns ausgehenden Linien stellen die Gabe in dem Augenblick dar, da sie das Leben verläßt, den Schleier zwischen den Welten und anschließend den äußeren Kreis passiert, um schließlich in die Unterwelt einzudringen. Somit repräsentiert der Stern die Gabe auf eine Weise, wie dies bei keiner anderen Person möglich wäre, die
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