Die Säulen der Schöpfung - 13
bedacht, nicht durch zu schnelles Laufen den Argwohn der Leute zu wecken, sich gleichzeitig aber so rasch wie möglich außer Sichtweite zu bringen. Sobald jemand in ihre Richtung blickte, ließen sie sich auf einer Steinbank an der Seite nieder und versuchten so normal wie möglich auszusehen; von gegenüber blickte die Statue eines nackten, auf einen Speer gestützten Mannes auf sie herab. Jennsen sah die beiden ganz in Leder gekleideten Frauen an der Kreuzung vorüberschlendern, die die Passanten auf beiden Seiten mit ihren beherrschten, durchdringenden und intelligenten Blicken erfaßten. Es waren die Blicke von Frauen, die ohne jede Reue von einem Moment zum nächsten eine Entscheidung über Leben und Tod zu fällen vermochten. Als eine der Frauen in den Seitengang blickte, ließ Jennsen sich hinter die Säule sinken und drückte sich ganz nah an die Wand.
»Was hatte das denn zu bedeuten?«, fragte Sebastian, als sie erleichtert aufatmete.
»Mord-Sith.«
»Was?«
»Die beiden Frauen, das waren Mord-Sith.«
Sebastian riskierte vorsichtig noch einen Blick, aber die beiden waren nicht mehr zu sehen. »Viel weiß ich nicht über sie, nur daß sie eine Art Wächterinnen sind.«
In diesem Moment wurde ihr bewußt daß er ja aus einem anderen Land stammte. »In gewisser Weise. Mord-Sith sind ganz besondere Wächterinnen. Man könnte sie vermutlich als Leibgarde des Lord Rahl bezeichnen. Sie beschützen ihn, aber nicht nur das. Sie foltern Informationen aus Personen heraus, die mit der Gabe gesegnet sind.«
Er versuchte in ihren Augen zu lesen, was genau sie damit sagen wollte. »Ihr meint aus Personen mit einfacher Magie.«
»Mit jeder Art von Magie, sogar aus Hexenmeisterinnen und Zauberern.«
Sebastian schien skeptisch. »Ein Zauberer verfügt über gewaltige magische Kräfte. Er könnte seine Macht einfach dazu benutzen, diese Frauen zu vernichten.«
Jennsens Mutter hatte ihr von den Mord-Sith und ihrer Gefährlichkeit erzählt und daß sie ihnen um jeden Preis aus dem Weg gehen mußte. Tödliche Gefahren dieser Art hatte sie ihr nie zu verheimlichen versucht.
»Nein, Mord-Sith verfügen über eine Macht, die sie befähigt, sich der Magie eines anderen zu bemächtigen – selbst der eines Zauberers oder einer Hexenmeisterin. Sie nehmen nicht nur Menschen gefangen, sondern erbeuten dabei gleichzeitig deren Magie. Einer Mord-Sith entkommt niemand, es sei denn, sie lassen den Betreffenden frei.«
Das schien Sebastians Verwirrung noch zu vergrößern. »Was wollt Ihr damit sagen, sie bemächtigen sich der Magie eines anderen? Das ergibt doch keinen Sinn. Was könnten sie mit dieser Magie schon anfangen, solange es die Macht eines anderen ist? Das wäre ja fast so, als ob man jemandem die Zähne zieht und dann damit zu essen versucht.«
Jennsen fuhr sich mit der Hand unter die Kapuze, um einige herausgerutschte rote Locken wieder an ihren Platz zu stecken. »Ich weiß es nicht, Sebastian, ich habe nur gehört, daß sie die Magie eines Menschen gegen ihn kehren, um ihm wehzutun – ihm Schmerzen zu bereiten.«
»Und warum sollten wir uns dann vor ihnen fürchten?«
»Mag sein, daß sie Informationen nur aus den mit der Gabe gesegneten Feinden des Lord Rahl herausfoltern, aber Schmerzen können sie natürlich jedem zufügen. Habt Ihr die Waffe gesehen, die sie bei sich tragen?«
»Nein, ich habe keine Waffen bei ihnen gesehen. Sie hatten nur einen kleinen roten Lederstab dabei.«
»Genau den meine ich, man nennt ihn Strafer. Sie tragen ihn an einem Kettchen ums Handgelenk, damit er stets griffbereit ist. Es handelt sich um eine magische Waffe.«
Er dachte über ihre Worte nach, konnte sich aber sichtlich noch immer keinen rechten Reim darauf machen. »Und was tun sie nun damit, mit diesem Strafer?«
Seine Stimme King nun gar nicht mehr ungläubig, sondern ruhig und zielgerichtet, wie die von jemandem, der ein Verhör durchführt; jetzt machte er wieder die Arbeit, derentwegen Jagang der Gerechte ihn hergeschickt hatte.
»Ich bin keine Expertin auf diesem Gebiet, aber nach allem, was ich gehört habe, kann die bloße Berührung eines Strafers alles Mögliche bewirken, von unvorstellbaren Schmerzen über gebrochene Knochen bis hin zu sofortigem Tod. Die Mord-Sith selbst entscheiden über das Ausmaß der Schmerzen, ob ein Knochen brechen oder man durch die Berührung sterben soll.«
Den Blick wachsam auf die Kreuzung gerichtet, dachte er über ihre Worte nach. »Und warum fürchtet Ihr Euch dann so sehr
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