Die Säulen der Schöpfung - 13
Umhang leicht geöffnet, um darunter greifen, ihr Messer ziehen und den Angreifer überraschen zu können; auch für sie konnte sich der Moment der Überraschung als wertvoller Verbündeter erweisen.
In diesem Moment erblickte sie ein leicht schiefes Grinsen aus makellosen Zähnen, das offensichtlich ihr galt. Der große blonde Mann lenkte seinen Wagen inmitten einer Wolke aus spritzendem Geröll und Staub bis unmittelbar vor sie. Als er die Bremse anzog, wehte der Staub davon. Es war der Mann vom Markt, der Mann neben Irmas Stand, jener Mann, der ihr einen Schluck Wein zu trinken gegeben hatte. Er war allein.
Sich über seine Absichten im Unklaren, schlug Jennsen einen schroffen Tonfall an und hielt ihre Messerhand bereit. »Was tut Ihr hier draußen?«
Er lächelte noch immer. »Ich bin hergekommen, um Euch mitzunehmen.«
»Und Eure Brüder?«
»Die hab ich am Palast zurückgelassen.«
Jennsen traute ihm nicht; er hatte keinen Grund, ihr hinterherzufahren und sie mitzunehmen. »Danke, aber ich denke, Ihr solltet Euch wieder um Eure eigenen Angelegenheiten kümmern.« Sie machte Anstalten weiterzugehen.
Er sprang vom Wagen herunter.
»Versteht doch, mir wäre einfach nicht wohl bei dem Gedanken«, sagte er.
»Bei welchem Gedanken?«
»Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ich einfach tatenlos mit ansähe, wie Ihr hier draußen in Euer Verderben rennt – und genau das würde passieren ohne etwas zu essen, ohne Wasser, ohne überhaupt alles. Ich habe über Eure Worte nachgedacht, daß es Dinge gibt, die man einfach tun muß, da sonst das Leben seinen Sinn verliert und es sich nicht lohnt weiterzuleben. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen, wenn ich wüßte, daß Ihr hier draußen seid und in Euer Verderben lauft.« Seine Beharrlichkeit wich einer gewissen Unsicherheit, und sein Tonfall bekam etwas Flehendes. »Kommt schon, steigt in den Wagen und laßt Euch mitnehmen, bitte.«
»Was ist mit Euren Brüdern? Bevor ich merkte, daß mir mein Geld abhanden gekommen war, sagtet Ihr, Ihr müßtet zurück nach Hause.«
Er hakte einen Daumen hinter seinen Gürtel, offenbar hatte er sich damit abgefunden, sich rechtfertigen zu müssen. »Also, heute lief es so gut mit dem Weinverkauf, daß wir ein ganz ordentliches Sümmchen verdient haben. Joe und Clayton wollten ohnehin lieber beim Palast bleiben und sich zur Abwechslung mal ein wenig amüsieren. Aber es war diese Irma, die schließlich den Ausschlag gegeben hat.« Er zuckte mit den Achseln. »Na ja, dank ihrer Hilfe haben wir heute gut abgeschnitten, was mir wiederum Gelegenheit gibt, Euch zu helfen. Da sie Eure Pferde und Vorräte mitgenommen hat, dachte ich, das Mindeste, was ich tun kann, ist, Euch ein Stück mitzunehmen. Als kleine Wiedergutmachung sozusagen. Ich will Euch doch nur ein Stück mitnehmen, es ist ja nicht so, als würde ich mein Leben riskieren. Ich biete bloß jemandem meine Hilfe an, von dem ich weiß, daß er sie dringend braucht.«
Hilfe konnte Jennsen ohne Zweifel gebrauchen, doch hatte sie nach wie vor Angst, dem Fremden zu vertrauen.
»Übrigens, ich heiße Tom«, sagte er, als hatte er ihre Gedanken erraten. »Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir erlauben würdet, Euch auf diese Weise zu helfen.«
»Was genau meint Ihr damit?«
»Wie Ihr schon sagtet – es gibt Dinge, die man einfach tun muß, um dem Leben ein wenig Sinn zu geben.« Er erfaßte die roten Locken ihres Haars unter der Kapuze mit einem flüchtigen Blick, dann wurde er ernst. »Und genau das Gefühl hatte ich dabei … es wäre mir eine Freude, wenn ich es tun könnte.«
Sie wich dem Blick aus. »Ich heiße Jennsen. Aber ich begreife nicht ganz …«
»Dann kommt einfach mit. Ich habe etwas Wein dabei…«
»Ich mag keinen Wein. Davon bekomme ich nur Durst.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich habe auch reichlich Wasser. Außerdem habe ich ein paar Fleischpasteten mitgebracht. Ich wette, wenn Ihr Euch beeilt und gleich davon eßt, sind sie sogar noch warm.«
Sie musterte seine blauen Augen, blau wie die ihres Vaters. Allerdings sprach aus den Augen dieses Mannes eine gewisse unkomplizierte Offenheit; und sein Lächeln hatte nichts Hochnäsiges, sondern wirkte anständig.
»Habt Ihr keine Frau, die auf Euch wartet?«
Diesmal war es Tom, der ihrem Blick auswich und zu Boden schaute. »Nein, Ma’am, ich bin nicht verheiratet. Ich reise viel herum und kann mir nicht vorstellen, daß eine Frau an einem solchen Leben Gefallen finden würde. Zumal es mir kaum
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