Die Säulen der Schöpfung - 13
Gelegenheit bietet, jemanden so gründlich kennenzulernen, daß an Heirat überhaupt zu denken wäre. Eines Tages aber, das wünsche ich mir von ganzem Herzen, möchte ich eine Frau finden, die ihr Leben mit mir teilen möchte, eine Frau, die mich zum Lachen bringt und derer ich mich würdig erweisen kann.«
Zu ihrer Überraschung bemerkte Jennsen, daß ihm diese Frage die Röte ins Gesicht getrieben hatte. Sie hatte den Eindruck, als entspräche die Unerschrockenheit, mit der er sie angesprochen und ihr angeboten hatte, sie mitzunehmen, keineswegs seinem üblichen Verhalten; bei aller Liebenswürdigkeit wirkte er überaus schüchtern. Irgend etwas an der Art dieses großen, starken Mannes, sich von ihr, einer einsamen Frau mitten im Nirgendwo, mit einer Frage nach Herzensdingen einschüchtern zu lassen, ließ sie innerlich ganz ruhig werden.
»Wenn ich Euch und Eurem Geschäft, mit dem Ihr Euren Lebensunterhalt verdient, damit nicht schade …«
»Aber nein«, fiel er ihr ins Wort. »Das tut Ihr nicht – auf keinen Fall.« Er wies zurück zum Felsplateau. »Wir haben heute guten Gewinn gemacht und können uns eine kleine Ruhepause leisten. Meine Brüder haben überhaupt nichts dagegen. Tagaus, tagein ziehen wir durch die ganze Weltgeschichte und kaufen, was immer wir zu einem vernünftigen Preis ergattern können, alles, von Wein über Teppiche bis hin zu jungen Hennen, die wir anschließend hierher transportieren, um sie zu verkaufen. Im Grunde tue ich meinen Brüdern einen Gefallen, wenn ich ihnen diese Pause gönne.«
Jennsen nickte. »Euer Angebot kommt mir sehr gelegen, Tom.«
Er wurde ernst. »Ich weiß. Das Leben eines Mannes steht auf dem Spiel.«
Tom kletterte umständlich auf den Wagen und reichte ihr die Hand. »Seht Euch vor, Ma’am.«
Sie ergriff seine große Hand und setzte einen Fuß auf die eiserne Sprosse. »Ich heiße Jennsen.«
»Das sagtet Ihr bereits, Ma’am.« Behutsam zog er sie hoch auf den Bock.
Kaum hatte sie Platz genommen, holte er von hinten eine Decke hervor, die er ihr zusammengefaltet auf den Schoß legte; offenbar wollte er nicht so vermessen sein, sie über sie zu breiten. Sie bedankte sich lächelnd für die wärmende Wolldecke und drapierte sie über ihre Beine. Dann langte er abermals hinter sich, kramte unter einem Stapel verschlissener Packdecken herum und brachte ein kleines Päckchen zum Vorschein. Lächelnd überreichte er ihr die in ein weißes Tuch gewickelte Pastete. Er hatte nicht zu viel versprochen, sie war tatsächlich noch warm. Schließlich holte er einen Wasserschlauch hervor und legte ihn zwischen ihnen auf den Bock.
»Falls es Euch lieber ist, könnt Ihr auch hinten sitzen. Ich habe genug Decken dabei, so daß Euch nicht kalt werden dürfte, außerdem sind sie bestimmt bequemer als die Holzbank.«
»Im Augenblick bin ich hier bestens versorgt«, erwiderte sie und gestikulierte mit der Pastete. »Sobald ich meine Vorräte und mein Geld zurückhabe, möchte ich Euch für alles bezahlen.«
Er löste die Bremse und ließ die Zügel schnellen. »Wenn Ihr unbedingt wollt, allerdings erwarte ich das nicht.«
»Aber ich«, erwiderte sie, als der Wagen anruckte.
Kaum waren sie unterwegs, schwenkte er von ihrem westlichen Kurs auf eine eher nordwestliche Richtung ein.
Augenblicklich kehrte Jennsens Mißtrauen zurück. »Was tut Ihr da? Was glaubt Ihr, wo Ihr hinfahrt?«
Ihr neu erwachtes Mißtrauen schien ihn ein wenig zu erschrecken. »Ihr wollt zu Althea, das stimmt doch, oder?«
»Schon, aber man sagte mir, ich müsse mich westlich halten, bis ich den höchsten, schneebedeckten Berg erreiche, und dann auf der anderen Seite Richtung Norden abbiegen und den Klippen folgen …«
»Oh«, machte er, als ihm klar wurde, was sie dachte. »Den Weg wählt man nur, wenn man sich einen zusätzlichen Tag Zeit nehmen will.«
»Warum sollte mir die Frau diesen Weg erklären, wenn er länger dauert?«
»Wahrscheinlich, weil das der Weg ist, den jeder zu Althea nimmt, und sie nicht wußte, daß Ihr es eilig habt.«
»Und wieso werden die Leute dort entlang geschickt, wenn es länger dauert?«
»Die Leute nehmen diesen Weg, weil sie sich vor dem Sumpfgebiet fürchten. Auf diesem Weg kommt man Altheas Haus am nächsten, was bedeutet, daß man dort das kürzeste Stück Sumpfgebiet durchqueren muß. Wahrscheinlich kennt die Frau gar keinen anderen.«
Als der Wagen über eine Welle im felsigen Untergrund sprang, mußte Jennsen sich an der Querstange festhalten. Er
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