Die Saga vom Dunkelelf 1 - Der dritte Sohn
Zyklen des Narbondel - vier Tage - später glitt eine strahlend blaue Scheibe den pilzumsäumten Weg zu dem spinnenbedeckten Tor des Hauses Do'Urden hinauf. Die Wachposten beobachteten von den Fenstern der beiden äußeren Türme und vom Hof aus, wie sie langsam drei Fuß über dem Boden dahinschwebte. Nur wenige Sekunden später erfuhr die herrschende Familie davon.
»Was kann das sein?« fragte Briza Zaknafein, als sie, der Waffenmeister, Dinin und Maya sich auf der Galerie des oberen Stockwerks versammelt hatten.
»Ein Ruf?« fragte Zak zurück. »Wir werden es erst wissen, wenn wir nachgesehen haben.« Zak stieg auf das Geländer, trat in die leere Luft hinaus und schwebte auf den Hof. Briza gab Maya ein Zeichen, und die jüngste Tochter des Hauses Do'Urden folgte Zak.
»Es trägt das Zeichen des Hauses Baenre!« rief Zak hinauf, nachdem er sich der Scheibe genähert hatte. Er und Maya öffneten die großen Tore, und die Scheibe glitt ohne feindliche Anzeichen hinein.
»Baenre«, wiederholte Briza über die Schulter und den Gang des Hauses hinab, wo die Oberin Malice und Rizzen warteten.
»Es scheint, daß man Euch sprechen will, Mutter Oberin«, warf Dinin unruhig ein.
Malice trat auf die Galerie, und ihr Gemahl folgte gehorsam.
»Ob sie von unserem Angriff gehört haben?« fragte Briza in der Zeichensprache, und alle Mitglieder des Hauses Do'Urden teilten diesen unerfreulichen Gedanken. Das Haus DeVir war erst vor wenigen Tagen ausgelöscht worden, und ein Ruf der Ersten Mutter Oberin von Menzoberranzan konnte wohl kaum als Zufall angesehen werden.
»Jedes Haus weiß davon«, antwortete Malice laut, die nicht glaubte, daß Stille innerhalb der Grenzen ihres eigenen Anwesens als Vorsichtsmaßnahme nötig war. »Ob die Beweise gegen uns so überwältigend sind, daß das Herrschende Konzil gezwungen sein wird zu handeln?« Sie sah Briza streng an, wobei ihre dunklen Augen zwischen dem roten Glanz der Infravision und dem tiefen Grün, das sie im Lichtkreis des normalen Lichts zeigten, wechselten. »Das ist die Frage, die wir stellen müssen.« Malice trat auf die Brüstung, aber Briza ergriff das Rückenteil ihres schwarzen Gewandes, um sie zurückzuhalten.
»Ihr wollt doch nicht mit dem Ding mitgehen?« fragte Briza.
Malices Blick zeigte noch größeres Erstaunen. »Natürlich«, antwortete sie. »Die Oberin Baenre würde mich nicht öffentlich zu sich rufen, wenn sie mir Böses antun wollte. Selbst ihre Macht ist nicht so groß, daß sie die Dogmen der Stadt ignorieren könnte.«
»Ihr seid sicher, daß Euch nichts geschieht?« fragte Rizzen, der ehrlich besorgt war. Sollte Malice getötet werden, würde Briza das Haus übernehmen, und Rizzen bezweifelte, daß die älteste Tochter einen Mann an ihrer Seite würde haben wollen. Selbst wenn die boshafte Frau einen Schutzpatron wünschte, würde Rizzen diese Position nicht einnehmen wollen. Er war nicht Brizas Vater, er war noch nicht einmal so alt wie Briza. Verständlicherweise hatte der gegenwärtige Protektor des Hauses großes Interesse an der anhaltend guten Gesundheit der Oberin Malice. »Eure Besorgnis rührt mich«, erwiderte Malice, die um die wahren Ängste ihres Gemahls wußte. Sie entzog sich Brizas Griff, trat von der Brüstung herab und glättete ihre Kleider, während sie langsam hinunterschwebte. Briza schüttelte verächtlich den Kopf und machte Rizzen ein Zeichen, ihr ins Haus zu folgen, denn sie hielt es nicht für gut, daß der größte Teil der Familie unfreundlichen Augen so preisgegeben war.
»Wünscht Ihr eine Eskorte?« fragte Zak, als sich Malice auf der Scheibe niederließ.
»Ich bin sicher, eine Eskorte vorzufinden, sobald ich außerhalb der Grenzen unseres Anwesens sein werde«, antwortete Malice. »Die Oberin Baenre würde es nicht wagen, mich irgendwelchen Gefahren auszusetzen, solange ich unter dem Schutz ihres Hauses stehe.«
»Das stimmt«, sagte Zak, »aber vielleicht wollt Ihr eine Eskorte vom Hause Do'Urden?«
»Wenn dies erwünscht wäre, hätte man zwei Scheiben gesandt«, sagte Malice in unmißverständlichem Tonfall. Die Oberin begann, die Besorgnisse der Menschen um sie herum als erdrückend zu empfinden. Sie war schließlich die Mutter Oberin, die Stärkste, Älteste und Weiseste und mochte es nicht, wenn andere sie kritisierten. Zur Scheibe gewandt, sagte Malice: »Führt die Euch zugewiesene Aufgabe aus und laßt es uns vollenden!«
»Oberin Malice Do'Urden«, erklang eine magische Stimme aus der Scheibe,
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