Die Saga vom Dunkelelf 1 - Der dritte Sohn
»Laßt Alton DeVir er werden. Das Haus DeVir existiert nicht mehr, so daß es keine Vergeltung, keine Fragen geben wird.« Masoj schien Zweifel zu haben.
»Der Gesichtslose war praktisch ein Einsiedler«, begründete Alton seinen Vorschlag. »Und ich stehe kurz vor der Graduierung. Nach dreißig Jahren Studium kann ich sicherlich einfaches Grundwissen lehren.«
»Und was gewinne ich dabei?«
Alton erwiderte nichts, als ob die Antwort offensichtlich sei. »Ein Meister in Sorcere, der Mentor genannt werden wird. Einer, der anderen den Weg durch ihr Studium erleichtern kann.«
»Und einer, der sich bequem eines Zeugen entledigen kann«, fügte Masoj listig hinzu.
»Und was würde ich dann gewinnen?« konterte Alton. »Das Haus Hun'ett erzürnen, und das ohne Familie als Rückhalt? Nein, junger Masoj, ich bin nicht so dumm wie der Gesichtslose behauptet hat.«
Masoj wog die Möglichkeiten nachdenklich gegeneinander ab. Ein Verbündeter unter den Meistern von Sorcere? Das eröffnete Möglichkeiten.
Ein anderer Gedanke kam Masoj in den Sinn. Er öffnete die Vitrine neben Alton und begann, den Inhalt zu durchstöbern. Alton zuckte zurück, als er einige Glas- und Keramikbehälter zusammenschlagen hörte, denn er dachte an die Bestandteile, vielleicht sogar fertiggestellte Gifttränke, die durch die Unvorsichtigkeit des Lehrlings verlorengehen könnten. Vielleicht war Melee-Magthere tatsächlich die bessere Wahl für ihn, dachte er.
Einen Moment später erschien der jüngere Drow jedoch wieder, und Alton erinnerte sich, daß er nicht in der Position war, solche Urteile abzugeben.
»Dies gehört mir«, forderte Masoj und zeigte Alton einen kleinen schwarzen Gegenstand: eine bemerkenswert detailliert gearbeitete Onyxfigur eines jagenden Panthers. »Ein Geschenk eines Bewohners der unteren Ebenen für von mir gewährte Hilfe.«
»Ihr habt einer solchen Kreatur geholfen?« Alton mußte fragen, denn er konnte nur schwer glauben, daß ein einfacher Lehrling die notwendigen Fähigkeiten hatte, ein Zusammentreffen mit so einem nicht einschätzbaren und mächtigen Gegner auch nur zu überleben. »Der Gesichtslose« Masoj versetzte der Leiche erneut einen Tritt - »nahm die Ehre und die Statue, aber sie gehören mir! Alles andere hier drinnen wird natürlich an Euch gehen. Ich kenne die magischen Dweomer der meisten und werde Euch zeigen, was zu wem gehört.«
In der freudigen Hoffnung, daß er diesen fürchterlichen Tag tatsächlich überleben würde, machte sich Alton in diesem Moment wenig Gedanken über die Figur. Alles, was er wollte, war, von der Spinnwebe befreit zu werden, damit er die Wahrheit über das Schicksal seines Hauses herausfinden konnte. Dann wandte sich Masoj, noch immer der verwirrte junge Drow, plötzlich ab und ging davon.
»Wohin geht Ihr?« fragte Alton.
»Die Säure holen.«
»Säure?« Alton verbarg sein Erschrecken gut, obwohl er das furchtbare Gefühl hatte zu verstehen, was Masoj wollte.
»Ihr wollt, daß Eure Maske authentisch erscheint«, erklärte Masoj tatsächlich. »Anderenfalls wäre es kaum eine Maske. Wir sollten die Spinnwebe nutzen, solange sie da ist. Sie wird Euch ruhig halten.«
»Nein...«, begann Alton seinen Widerspruch, aber Masoj ging mit einem breiten, bösen Grinsen im Gesicht um ihn herum.
»Es wird ein bißchen weh tun, und Ihr werdet eine Menge Unannehmlichkeiten ertragen müssen«, gab Masoj zu. »Ihr habt keine Familie und werdet in Sorcere keine Verbündeten finden, weil der Gesichtslose von den anderen Meistern verachtet wurde.« Er brachte die Armbrust auf eine Höhe mit Altons Augen und legte einen weiteren vergifteten Pfeil ein. »Vielleicht zieht Ihr den Tod vor.«
»Holt die Säure!« schrie Alton.
»Was soll dabei herauskommen?« neckte Masoj und schwenkte die Armbrust. »Wofür willst du leben, Alton DeVir, von einem nicht erwähnenswerten Haus?«
»Für die Vergeltung«, spöttelte Alton, dessen Ton blanker Wut den siegessicheren Masoj in Bewegung setzte. »Das habt Ihr noch nicht gelernt - obwohl Ihr das noch tun werdet, mein junger Schüler -, aber nichts im Leben verleiht einem mehr Entschlußkraft als der Hunger nach Vergeltung.«
Masoj ließ den Bogen sinken und sah den gefangenen Drow respektvoll, fast ängstlich an. Dennoch konnte der Lehrling Hun'ett noch immer nicht die Ernsthaftigkeit von Altons Worten ermessen, bis Alton sie wiederholte, dieses Mal mit einem begierigen Lächeln auf dem Gesicht. »Holt die Säure.«
Das erste Haus
Vier
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