Die Saga vom Dunkelelf 5 - In Acht und Bann
»Ah, halt die Klappe!« murrte er Flanny an und untermauerte seine Aufforderung, indem er seinem Bruder einen Schlag auf den Hinterkopf verpaßte. Flanny wirbelte herum, um sich zu revanchieren, aber Eleni trat zwischen die beiden Brüder.
»Hört auf!« schrie sie so laut, dass alle vier DistelwolleKinder einen Finger auf den Mund legten und »Pst« sagten.
»Der Drizzit war echt«, wiederholte Liam aufs neue. »Ich kann es beweisen – wenn ihr euch nicht fürchtet.«
Liams drei Geschwister warfen ihm neugierige Blicke zu. Er war ein notorischer Schwindler, das wussten sie alle, und was sollte denn dabei herauskommen? Ihr Vater hatte Liam keinen Glauben geschenkt, und nur das zählte, zumindest, was die Bestrafung betraf. Dennoch war Liam unnachgiebig, und sein Ton sagte ihnen, dass hinter seiner Behauptung irgend etwas steckte.
»Wie willst du den Drizzit beweisen?« fragte Flanny.
»Morgen haben wir nichts zu tun«, erwiderte Liam. »Wir werden in die Berge gehen und Blaubeeren sammeln.«
»Das werden Vater und Mutter niemals erlauben«, warf Eleni ein.
»Das würden sie schon, wenn wir Connor dazu überreden können, uns zu begleiten«, sagte Liam und brachte so den ältesten Bruder ins Spiel.
»Connor wird dir nicht glauben«, widersprach Eleni.
»Aber dir würde er glauben!« erwiderte Liam laut. Die anderen stimmten wieder zu einem »Pst« an.
»Ich glaube dir nicht«, lautete Elenis Antwort. »Du spinnst immer irgendwelches Zeug zusammen, bringst dich damit in Schwierigkeiten und lügst, um mit heiler Haut davonzukommen!«
Liam verschränkte seine kleinen Arme vor der Brust und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf. »Aber du wirst mir glauben«, grummelte Liam, »wenn du Connor dazu überreden kannst, mitzukommen!«
»Ach, tu es«, flehte Flanny Eleni an, doch Shawno, der die möglichen Konsequenzen bedachte, schüttelte nur den Kopf.
»Dann gehen wir also in die Berge«, sagte Eleni zu Liam. Indem sie ihn zum Weitersprechen aufforderte, gestand sie ihre Zustimmung ein.
Liam grinste breit und kniete sich hin. Dann schob er einen Berg Sägespäne zusammen, in die er einen groben Lageplan der Gegend zeichnete, wo er dem Drizzit begegnet war. Sein Plan war ganz einfach: Eleni sollte Blaubeeren sammeln und insofern als Köder fungieren. Die vier Brüder würden heimlich folgen und zusehen, wie sie eine Knöchelverstauchung oder irgendeine andere Verletzung vortäuschte. Schmerzen hatten den Drizzit schon einmal hervorgelockt, und wenn ein hübsches, junges Mädchen litt, dann würde er unter aller Garantie noch mal auftauchen.
Eleni schreckte vor dem Plan zurück. Dass sie den Wurm am Haken spielen sollte, stimmte sie nicht gerade frohgemut.
»Aber du glaubst mir ja sowieso nicht«, brachte Liam flink hervor. Sein Lächeln, bei dem er eine Zahnlücke zeigte, machte deutlich, dass sie sich mit ihrer Sturheit selbst in die Enge getrieben hatte.
»Dann werde ich es eben tun!« Eleni war eingeschnappt. »Und ich glaube nicht an deinen Drizzit, Liam Distelwolle! Aber wenn es den Löwen wirklich gibt, und ich aufgefressen werde, dann werde ich dir das Fell gerben, und zwar richtig!« Damit wandte Eleni sich ab und stürmte aus dem Holzschuppen.
Liam und Flanny spuckten sich in die Hände und wandten sich vorsichtig zu Shawno um, der seine Angst überwand. Triumphierend legten die drei Brüder die feuchten Hände aufeinander. Jede Verstimmung zwischen ihnen schien sich in Nichts aufzulösen, sobald sie eine Möglichkeit fanden, Eleni zu ärgern.
Keiner von ihnen erzählte Connor von ihrer geplanten Jagd auf den Drizzit. Statt dessen erinnerte Eleni ihn an die vielen Gefallen, die er ihr schuldig war, und versprach, darüber nachzudenken, ob nicht alle Schulden beglichen wären, wenn Liam zugestimmt hatte, Connors Schulden zu übernehmen, und Connor sie und die Jungen zum Blaubeersammeln begleiten würde.
Connor murrte, sperrte sich und bemerkte, dass einer der Gäule neue Hufeisen brauchte, aber er konnte den strahlendblauen Augen und dem breiten, offenen Lächeln seiner Schwester nie widerstehen, und nachdem Eleni versprochen hatte, ihm seine beträchtlichen Schulden zu erlassen, willigte er dann doch ein. Mit der Erlaubnis der Eltern führte Connor die Distelwolle-Kinder in die Berge. Er hatte ein Schwert an die Hüften gebunden, und die Kinder trugen die Körbe.
Drizzt entdeckte die List, lange bevor die junge Bauerntochter allein in das Blaubeerfeld stapfte. Er hatte auch die vier
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