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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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eine pestinfizierte Volksmenge. Da waren die Verheerungen des Krieges abgebildet. Und da war der Tod selbst. Und da... Oh ja, gewiss war das Heming, der Engel des Jüngsten Gerichts! Etwas stilisiert, aber dennoch war er es. Silje seufzte hingerissen.
    Sie sprach ihr Lob laut aus, und ihre Worte waren ehrlich gemeint.
    Benedikt war begeistert.
    »Guck mal, guck mal«, sagte er eifrig und zog sie mit sich. »Wie findest du das?«
    »Jaha«, antwortete sie zögernd. »Aber warum habt Ihr eine Frau gemalt, die Butter macht? Mit dem Teufel im Rücken?«
    Benedikt lachte wiehernd. »Das wollen sie immer haben. Ein bisschen Spaß müssen sie doch haben – die Pastoren, die Kirchendiener und die ganze Gemeinde.«
    »Aber ich verstehe nicht«, sagte Silje naiv.
    Er starrte sie an. »Willst du damit sagen... dass du die Symbolik nicht verstehst? Hast du das beim Buttern denn nie gesehen? Hast du nie Butter gemacht?«
    »Ja, doch, aber...«
    Im nächsten Augenblick legte sich eine flammende Röte über ihre Wangen, und sie lief von ihm fort. Wie gemein! Wie...
    Benedikt schien es zu bereuen. »Du bist mir ja eine rätselhafte kleine, heißblütige Jungfrau. Ja, heißblütig bist du, das sieht man schon von Weitem. Aber vielleicht kannst du mir beim Malen helfen«, sagte er in einem großzügigen Moment nach ihrem Lob. »Du kannst diese Zierranken ausfüllen. Hast du schon einmal gemalt?«
    Das hatte sie nicht, aber sie wollte diese Gelegenheit, zu zeigen, was in ihr steckte, nicht ungenutzt vorüberstreichen lassen.
    Er zeigte ihr die Farben.
Caput mortuum
oder rote Farbe. Kienruß war das Schwarze, davon durfte sie nicht zu viel verwenden, weil es dann zu dunkel werden würde, und ihr war es auf keinen Fall gestattet, es mit den anderen Farben zu mischen. Kalkweiß, Kupferlasur, die Blaugrün wurde, Ultramarin für Hellblau – und Ockergelb. Sie durfte alles mischen, solange sie seine Farben nicht ruinierte.
    Etwas unbeholfen umfasste sie den Pinsel. Sie brauchte eine Viertelstunde, um das erste Blatt auszufüllen, so viel Angst hatte sie. Doch dann ging es zügiger voran. Sie unterhielten sich angeregt über Kunst, während Benedikt unter der Decke hing und mit Adam und Eva – sehr züchtig mit einem riesengroßen Feigenblatt bedeckt – beschäftigt war, und Silje arbeitete sich langsam, aber sicher an der Ranke voran. Sie wusste nichts von Kunst, deshalb musste Benedikt reden und belehren, eine Rolle, die ihm gut gefiel.
    »Langweile ich dich?«, fragte er plötzlich.
    »Nein,
nein\«,
sagte sie. »Das ist so interessant, ich habe noch nie eine so fesselnde Diskussion erlebt.«
    Benedikt zog die Mundwinkel hoch. Diskussion war wohl eine übertriebene Bezeichnung für seinen knapp abgerissenen Monolog.
    Als der Tag zu Ende ging, kam er herunter. Sie hatten so fleißig gearbeitet, dass sie vergessen hatten, ihren Proviant zu essen.
    »Siehst du, siehst du!«, sagte er anerkennend. »Ich wusste es doch, dass du es kannst. Du hast sogar Leben in die Blätter gebracht. Wo hast du dir diese Kenntnisse über das Schattieren angeeignet?«
    »Gar nicht, davon weiß ich nichts«, antwortete sie etwas verlegen, aber zugleich stolz. »Ich habe nur versucht, mir vorzustellen, wie Blätter aussehen.«
    »Du musst morgen wieder mit mir kommen«, sagte er eifrig. »Die Tanten sollen sich um die Kinder kümmern, das tun sie sicher gern.«
    Herrgott, wie gern hatte sie den Mann, den sie erst seit Kurzem kannte!
    Seine wichtigste Tat bestand darin, dass er Silje geholfen hatte, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Silje, der fremde Vogel, der nicht ins Leben auf dem Hof passte – nun hatte sie entdeckt, dass es auch noch eine andere Welt gab. Vielleicht gehörte sie ja dorthin?

4. Kapitel
    Aber am nächsten Tag konnte Silje Meister Benedikt nicht in die Kirche begleiten. Sie hatte in einem Fuß eine garstige Entzündung bekommen und musste ihn ruhig halten. Meistens spielte sie mit Sol, erledigte einfache Tätigkeiten, die im Sitzen möglich waren, und unterhielt sich viel mit den beiden älteren Frauen.
    Sol war ein fröhliches kleines Mädchen. So spontan, so geradeheraus. Es gab kein Anzeichen von Verstellung in ihrem Verhalten. War sie wütend, dann war sie es wirklich, und war sie glücklich, dann gab es auch darin keine Grenzen. Dann wurden sie der Reihe nach von ihr umarmt. Aber niemand verstand, was sie sagte. Sie konnte kaum älter als zwei Jahre sein, davon waren sie überzeugt.
    Weil der Fuß am Tag danach besser

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