Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
aus. »Ich glaube nicht, dass das Himmelreich sich damit messen kann!«
Die anderen lachten verständnisvoll.
Doch ihre glücklichen Gedanken ließen sie wieder an die Pest denken, und sie warf einen beunruhigten Blick auf Sol. Wie lange würde es dauern, bis die Krankheit ausbrach? Sie hatte von der Pest genug gesehen, um die Symptome zu erkennen. Doch noch war die Kleine glücklich und am Leben. Selbst wenn sie während der Mahlzeit plötzlich etwas seltsam dreingeschaut hatte und ihre Lippen leicht gezittert hatten.
»Mama«, hatte sie traurig gesagt. »Mama!«
Da hatte die eine Frau sie in die Arme genommen und sanft gewiegt, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
»Sie ist so klein, sie vergisst schnell«, hatte die Frau gesagt.
Dann musste Silje von ihrer düsteren Wanderung und dem letzten Tag erzählen, an dem so viel geschehen war. Sie fand aber keine Erklärung dafür, wer der Mensch sein mochte, der ihr geholfen hatte. Sie sah nur, dass die Frauen vielsagende Blicke wechselten, hörte, dass eine so etwas wie »Miserere« murmelte, und stellte fest, dass der Knecht auf den Fußboden schaute, um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen.
Mit einem Mal fuhren alle zusammen. Pferdehufe donnerten auf dem Weg, und Waffen und Rüstungen rasselten.
»Die Knechte des Landvogts!«, rief Benedikt aus und sah hinaus auf den Hofplatz, wo eine Handvoll Reiter Halt gemacht hatte. »Silje, waren das die, mit denen du gestern gesprochen hast? Auf dem Galgenberg?«
Draußen war die Dämmerung angebrochen, und durch das Fenster war nicht sonderlich viel zu erkennen, sie war sich aber trotzdem sicher.
»Nein, die da kenne ich nicht.«
»Na, dann musst du dich auch nicht verstecken. Aber, Grete, bring für alle Fälle das Kleinste fort! Am besten alle beide.«
Eine der Frauen verschwand mit den beiden Kindern im Zimmer nebenan.
Benedikt erhob sich, um draußen die Reiter zu empfangen. Die anderen blieben, wo sie waren, und versuchten zu lauschen.
Benedikt begrüßte die Männer und fragte nach ihrem Anliegen.
Der Kommandant stieg die Treppe hinauf.
»Habt Ihr hier auf dem Hof heute bei Nacht oder Tag Fremde gesehen?«
»Nein, das haben wir nicht. Nach wem sucht Ihr?«
»Das wisst Ihr verdammt gut, Benedikt der Maler! Der Aufwiegler Dyre Alvssohn war heute Nacht mit seinen Männern unterwegs. Brannte einem der Männer des Königs das Wohnhaus nieder. Dem wollen wir jetzt ein Ende setzen. Dürfen wir deinen Stall sehen?«
»Ja, gern, wenn denn die alten Mähren sehenswert sind. Aber Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich...«
»Glauben?«,
zischte der Kommandant und machte auf dem Absatz kehrt.
Alle Mann gingen auf dasselbe Gebäude zu. Es war ganz eindeutig, dass sie hier schon früher nach fremden Pferden gesucht hatten.
Nach einer Weile kamen sie wieder zum Vorschein.
»Und Heming der Vogtmörder?«, fragte der Befehlshaber.
»Habe ich seit Jahr und Tag nicht gesehen«, versicherte Benedikt so überzeugend, dass Silje ihm geglaubt hätte, wenn sie es nicht besser gewusst hätte.
»Diesen Lümmel halte ich mir vom Hals.«
»Ist auch besser für dich.«
Einer der Knechte durchsuchte auch die anderen Nebengebäude. Vielleicht hatte sich ja das eine oder andere Pferd zu den Kühen verlaufen.
Dann waren sie fertig und zogen weiter.
»Am besten, du nimmst dich in Acht, Benedikt!«, rief der Anführer über die Schulter. »Ein bisschen am Kirchendach rumzupinseln garantiert dir keinen freien Eintritt ins Himmelreich!«
»Den Hausfrieden zu brechen auch nicht!«, rief Benedikt hinterher.
So wusste sie also, wer er war, der Mann im Wolfspelz. Dyre Alvssohn... hatte sie nicht schon früher einmal etwas von ihm gehört? Der ärgste Feind der Dänen in Trendelag, der nie zu finden war, wenn der Landvogt Jagd auf ihn machte. Alle schützten ihn.
Offenen Hass gegen den König gab es nicht. Im Grunde interessierte es die Bauern nicht im Geringsten, von wem sie regiert wurden. Als vor fünfzehn Jahren die Schweden den Landesteil eingenommen hatten, wurden sie von den Bauern als neue Herren begrüßt. Nach Abzug der Schweden kehrten die Einwohner von Trendelag ohne große Proteste wieder zu den Dänen zurück. Kopenhagen oder Stockholm – beides war so weit entfernt, der Regierung des Landes konnten sich andere annehmen. Solange ihnen das tägliche Brot sicher war, war es ihnen gleichgültig, wie der König hieß. Nur wenn es um Steuern und alltägliche, sie direkt betreffende Dinge ging, kam es unter den Bauern zu
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