Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
matt und schwer, sie atmete tief in sonderbarer Erregung. Langsam bewegte sie sich im Gras, zog die Beine etwas an, ängstlich verschämt, fasziniert.
Dann bewegte er langsam die Flügel und glitt näher.
Sie schrie auf und erwachte.
Sie blieb in atemloser Schläfrigkeit liegen, erleichtert und enttäuscht zugleich, dass der Traum genau an dieser Stelle abgebrochen war. Entsetzt stellte sie fest, dass ihr Körper in einer Weise brannte, wie sie es nie zuvor erlebt hatte. Sie war erschrocken, erschüttert, wollte die Scham mit den Händen bedecken. Doch ihren Händen entsprang ein Funke – und dann gab es kein Halten mehr.
Erschöpft sank sie zusammen, zu Tode beschämt über das intensive Glücksgefühl, das sie gerade verspürt hatte.
Das Ganze aber hatte eine ebenso einfache wie natürliche Erklärung. Silje war erwachsen geworden.
Benedikt arbeitete nicht in der Kirche seines eigenen Kirchspiels. Die hatte er schon vor langer Zeit dekoriert, erzählte er, und jeden Zoll des Kirchengewölbes mit Malereien versehen.
Bis zur Kirche des Nachbarkirchspiels war es jedoch nicht weit, und die schmückte er nun aus. Spät am Vormittag nahm er Silje im Wagen dorthin mit. Benedikt gehörte nicht zu den Frühaufstehern. Die blaurote Nase verriet Silje auch, dass er zu den Freunden starker Getränke gehörte.
Sie war davon überzeugt, dass ihr alle ansehen konnten, was sie in der Nacht erlebt hatte. Seltsamerweise hatte es den Anschein, als sei alles nur Einbildung gewesen, niemandem schien etwas Besonderes aufzufallen, sie sprachen mit ihr so natürlich wie immer.
Seltsam! Für sie war es eine Revolution gewesen, aber auch so eine Schmach, dass sie hätte sterben mögen.
Dass sie den falschen Mann begehrt hatte, machte die Sache nicht besser.
Benedikt schwatzte während der Fahrt ununterbrochen. Er hielt die Zügel und lenkte die alte Stute. Silje saß neben ihm. Er verbreitete sich über seine Triumphe als Künstler, über all die schönen Kirchenmalereien, die er ausgeführt hatte, und fluchte laut über die Geistlichen der Reformation, die befohlen hatten, alle die schönen alten Kirchenmalereien mit weißem Kalk zu übertünchen – nur weil sie manche davon unanständig fanden.
»Unanständig!«, zischte er. »Es gibt im Liebesleben nichts Unanständiges, Silje. Alles ist natürlich und schön. Die verschrobenen, scheinheiligen Gedanken der alten Knacker sind unanständig.«
Das zu hören, tröstete Silje ein wenig, aber nicht genug.
»Zum Glück gibt es auch vernünftige Geistliche, die zu einem gewissen Grad imstande sind, sich von dieser Sittlichkeitshysterie fernzuhalten und an Gregorius' Worte denken: In den Bildern sollen die lesen, die des Lesens nicht kundig sind. Das nenne ich den Wert der Kirchenkunst verstehen! Du müsstest meinen Engel des Jüngsten Gerichts einmal sehen, Silje. Ah, das ist ein Prachtstück! Ich habe Heming als Modell genommen.«
Wieder wurde sie rot. »Er war als Modell bestimmt wunderbar«, murmelte sie.
Benedikt lachte. »Aber wohl kaum in der Seele. Könntest
du
dir übrigens vorstellen, mir für die Jungfrau Maria Modell zu stehen – in der Szene des Jüngsten Gerichts?«
»Nein!«, antwortete sie entrüstet.
»Doch, doch! Du wärest perfekt mit deinem wunderbaren goldbraunen Haar. Allerdings müsste es natürlich ohne Kleider sein.«
»Nein, was fällt Euch ein!«
Benedikt lachte wieder. »Ich mache doch nur Witze. Auch wenn du die Seele einer Künstlerin hast, so bist du doch weit entfernt von Freimut. Kurzsichtige Erziehung«, murmelte er mehr zu sich selbst.
Sie wollte solches Gewäsch nicht mit anhören. Demonstrativ faltete sie die Hände und starrte hinunter auf ihren Schoß.
Wenn sie den Kopf etwas umgedreht hätte, dann hätte sie die Berge sehen können. Aber sie drehte den Kopf nicht um. Auch wenn sie noch so verlockend sein mochten, heute mehr denn je. Vielleicht waren die Gestalten dort, am Himmel? Vielleicht war der Größte von ihnen...
»Ist es die Kirche da drüben?«, rief sie aus.
»Ja. Aber dabei muss man doch keinen Schreck kriegen.«
»Nein. Ich
Sie beendete den Satz nicht, konnte nicht von ihren Fantasien erzählen. Doch zu ihrer Erbitterung spürte sie, dass sie auf die gleiche schändliche Weise feucht wurde – so wie in der Nacht.
Langsam ging sie in der Kirche umher und bewunderte Benedikts Werk, wobei sie die ganze Zeit auf die Gerüste Acht geben musste.
Das da kannte sie. Die vier Geißeln der Apokalypse.
Dort wanderte
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