Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Hausarbeit. Nein, du hast es nie direkt gesagt, du hast dich nie beklagt, aber ich kann mich noch gut erinnern, wie du den Scheuerlappen durch den ganzen Raum gepfeffert hast, oder wie du einen Wutanfall gekriegt hast vor lauter Erschöpfung und Verzweiflung und mit allem um dich geschmissen hast, Holzbottichen und Besen und überhaupt allem, was dir unter die Finger kam, so daß wir schleunigst das Weite suchen mußten. Und all die Male, wo du heimlich geweint hast, wenn die Kleider zerrissen waren, weil der Stoff einfach aufgebraucht war und du sie doch wieder flicken mußtest. Und immerzu warst du müde. Nein, Silje, wir sind alle so glücklich darüber, daß du jetzt glücklich bist. Und ist es nicht die Aufgabe der größeren Geschwister, auf die kleinen aufzupassen? Das haben wir gemacht, einer nach dem anderen, um dich zu entlasten, und wir haben es mit Freuden gemacht. Du bist immer freundlich zu uns, und du hast immer Zeit, uns zuzuhören. Das hattest du im Tal des Eisvolks nicht - und auch nicht in der ersten Zeit, nachdem wir von dort geflohen waren. Da hast du dich abgemüht und uns auf dem Rücken geschleppt, bis du schief und krumm warst und deine Haare ganz wirr wurden, und deine Augen blickten hilflos und ängstlich …«
Silje sah sie verblüfft an. »Ist das wahr, daß ihr nichts vermißt? Ja, ich bin jetzt glücklich, und ich liebe euch wirklich über alle Maßen, aber ich habe zugleich eine solche Angst, daß ich zu sehr in meiner Arbeit aufgehe.«
»Sei ganz unbesorgt«, lächelte Sol.
Wie selbstsicher sie ist! Aber das ist wohl etwas, das der Schönheit eigen ist, dachte Silje, die sich ihrer eigenen Vorzüge nicht bewußt war, denn sie waren zwar nicht so auffällig wie die von Sol, aber vielleicht umso wertvoller.
»Sol, ich …«
Das Mädchen blickte sie fragend an.
Ach, wie schwierig das war! »Ich… möchte etwas mit dir besprechen… Und wir beide haben doch immer über alles reden können.«
Sie schluckte und fuhr fort: »Du bist sehr schön, Sol.
Und gefährliche Männer könnten sich von dir angezogen fühlen.'.' »Ich finde, das hört sich gut an.«
»Sol!« sagte Silje erschrocken. »Liebes Kind, du weißt ja nicht, was geschieht, wenn ein Mann …«
Sol amüsierte sich offensichtlich. »Du hast wohl vergessen, daß ich dabei war, als Are geboren wurde?
Glaubst du, ich weiß nicht, daß er das Resultat eurer körperlichen Liebe ist? Liebe Silje, ich weiß alles darüber!
Außerdem kannst du selbst nicht viel älter als ich gewesen sein, als du dich in Tengel verliebt hast.«
Silje hatte das deutliche Gefühl, daß ihr Gespräch nicht die gewünschte Richtung nahm. »Ich war immerhin schon sechzehn, als ich ihn getroffen habe«, sagte sie errötend. »Und er hat mich verzaubert, verhext sozusagen.«
»Das kann ich mir denken. Ich habe immer davon geträumt, einmal einem Mann zu begegnen, der Tengel ähnlich ist. Aber du braucht dir um mich keine Sorgen zu machen. Vergiß nicht, daß ich Junker Galle letzten Winter mit Schnee eingeseift habe, als er zu aufdringlich wurde.
Ich bin stark, Silje. Ich kann mich wehren.«
»Das kannst du sicher«, sagte Sol, ziemlich verwirrt über Sols frühreife Bekenntnisse. »Jedenfalls, solange du an dem Mann nicht interessiert bist. Aber die Gefahr bei dir ist, daß du dich von jenen Männern angezogen fühlst, die groß und stark und unberechenbar sind, die keinen Anstand haben und nicht wissen, was sich schickt. Für solche hast du schon immer eine Vorliebe gehabt.
Deshalb hüte dich wohl, mein Kind! Es ist so leicht, in…
in den Sog hineingezogen zu werden«, schloß sie flüsternd und mit Schamesröte auf den Wangen.
»Ich werde vorsichtig sein«, versprach Sol leichthin.
»Und wenn ich wirklich in Schwierigkeiten kommen sollte, dann wäre das auch keine Tragödie. Dem ließe sich leicht abhelfen.«
»Sol!« keuchte Silje.
»Vergiß nicht, daß Hanna mich vieles gelehrt hat.«
»Hanna, ach ja«, sagte Silje flach. »Man sagt, du gehst in den Wald und… experimentierst?«
Sol tastete nach dem Bündel an ihrer Seite. »Ja, das tue ich. Es ist notwendig, damit ich meine Kenntnisse vertiefe.«
Alles in Silje bäumte sich auf, aber sie wagte es nicht, zornig zu werden. Sie wollte das Vertrauen des Mädchens nicht verlieren. Recht lahm sagte sie:
»Aber ist das nicht gefährlich?«
»Sei unbesorgt! Ich habe alles unter Kontrolle!«
»Ich bin mir da nicht so sicher. Kennst du nicht das Märchen vom Zauberlehrling? Der allzu
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