Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
zu, daß Ihr fortkommt! Aber augenblicklich!«
Das war der Vorteil, dem Hexengericht anzugehören.
Das Amt brachte eine gewaltige Autorität mit sich. Der Kirchendiener verschwand rasch und beschämt vom Hof.
Johan näherte sich leise dem lichten Sommerwald. Er hatte einen Umweg gemacht, damit niemand Verdacht schöpfen sollte, daß er dem Mädchen nachschlich. Aber genau das war es, was er tat.
Für Gott - gegen den Teufel.
Das war der Kampfruf, den er sich insgeheim immer wieder vorsagte, während er über das schattige Moos huschte. Um seine Einsatzbereitschaft im Dienste der Gerechtigkeit zu stärken. Nicht, daß es nötig gewesen wäre, Herr Johan war so vom Fanatismus seines Berufs durchdrungen, daß er die Handlanger des Teufels im Schlaf erkannt hätte - ohne allzu genau nachzuprüfen, ob sie schuldig waren oder nicht. Denn das wußte er doch wohl am besten! Für Gott - gegen Satan!
Er mußte lange suchen, bevor er sie fand. Endlich hörte er ihre entzückende Stimme - und dann fiel sein Blick auf sie.
Sol kniete auf einer Wiese oberhalb eines kleines Flusses.
Sie hatte ein Stück Stoff vor sich ausgebreitet, und sie sprach mit der Katze, die ihr auf der anderen Seite des Tuches gegenübersaß.
Auf diesem Tuch - es war ein aufgeknüpftes Bündel, wie er sehen konnte - lagen unzählige seltsame Dinge, die nach einem bestimmten Muster angeordnet waren.
Johans Herz pochte hart. Kein Zweifel, womit das Mädchen beschäftigt war. Zauberei!
Auf einmal rief sie: »Komm nur heraus, Herr Johan!
Komm her und sieh zu, was ich tue!«
Beschämt trat er aus dem Gebüsch und ging zu ihr hinunter.
Es war ein wunderbarer Tag. Die Wiese war umkränzt von gerade erblühten Hagebutten, und sattgelbe Butterblumen leuchteten zwischen indigoblauem Waldstorchenschnabel.
Das Mädchen war eine Offenbarung in Johans asketischem Leben. Diese blühenden Wangen, der zarte, weiche Mund, und dann diese wundervollen Augen! Er konnte nicht sagen, ob sie grün oder gelb waren, denn sie wechselten so rasch ihre Farbe. Das Gesicht war umrahmt von dunklen, fast schwarzen Locken, die sich auf die weiße Bluse hinunter ergossen. Für eine Vierzehnjährige waren die Rundungen ihres Körpers ungemein weit entwickelt. Es brannte und juckte in Herrn Johans Augen - vielleicht waren es Tränen. Aber er hatte vergessen, was Tränen waren.
Die Katze blickte ihn mit grünen, gleichgültigen Augen an und wandte dann den Kopf zur Seite.
»Sieh mal, was ich gemacht habe«, sagte Sol mit einer Zutraulichkeit, daß sich ihm der Magen zusammenkrampfte. »Ich habe das Glück für dich beschworen. Damit du gesund wirst und keine Schmerzen mehr erleiden sollst. Ich glaube, es hat funktioniert. Aber deine Seele ist bekümmert, Herr Johan.
Und es wird sehr bald noch schlimmer werden.«
Er sagte rasch: »Ich möchte lieber nicht wissen, was die Zukunft für mich bereit hält, vielen Dank!«
Was für ein Blendwerk! Und das probierte sie an ihm aus!
Schnell sammelte sie die merkwürdigen, verschrumpelten Sachen zusammen, die so alt waren, daß man unmöglich erkennen konnte, was es einmal gewesen war.
»Entschuldigung, ich habe mich nur für dich und deine Zukunft interessiert«, murmelte sie. »Aber es ist sicher besser, nicht allzu viel zu wissen. Da gibt es Anzeichen, die mir nicht sehr gefallen… Und ich wünsche dir doch nur alles Gute.«
»Es ist sehr freundlich von dir, an mich zu denken«, sagte er zugeknöpft, ohne den Blick von ihr lösen zu können.
»Aber du solltest dich nicht mit solchen Sachen beschäftigen, weißt du!«
»Ach was, das ist doch nichts. Nur ein lustiges Spiel. Aber ich muß jetzt gehen. Ich muß zu meinem Bruder, dem Baron, Silje hat mir eine Nachricht für ihn aufgetragen.
Und wir sollen Fräulein Charlotte nicht länger Fräulein nennen«, lachte sie. »Denn sie ist ja Dags Mutter, wußtest du das?«
Ja, das wußte Johan, denn das hatte der Kirchendiener ihm natürlich sogleich gesteckt. Sünde! Sünde allerorten!
hatte der unangenehme Kerl mit leuchtenden, glücklichen Augen gerufen, während seine Zunge wie die einer giftigen Natter zwischen den Lippen hervorschnellte.
Einen Moment lang schauderte es Johan. Aber der Kirchendiener war ja sein Bundesgenosse, ein rechtschaffener Mann, also mußte er ihm gegenüber wohl nachsichtig sein.
Das Mädchen winkte ihm zu und lief von dannen, leichtfüßig wie eine Tänzerin, und die Katze sprang ihr hinterher. All die eindringlichen Fragen, die er ihr hatte stellen
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