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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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ließ die Peitsche fallen und ergriff ihre Hand. »Nein, aber schau, was habe ich mit meiner kleinen Taube gemacht«, sagte er reumütig. »Schau, das Patschhändchen blutet!«
    Unermüdlich küßte er das Blut fort, drückte ihr die Hand und zog sie zu sich heran. »So, so, weine nicht mehr, meine kleine Taube. Dein starker Mann ist hier und kümmert sich um alles, du weißt doch, daß ich dich über alles auf der Welt liebe und nur dein Bestes will. Es tut mir so weh, daß ich dich züchtigen muß, aber wir müssen doch deine dummen Wahnvorstellungen vertreiben, nicht wahr?«
    Liv kam langsam zu sich und richtete sich wieder auf. Sie nickte heftig, aber ihre Augen waren die eines verletzten Tieres.
    »Nun ist alles wieder gut«, sagte er. »Und heute abend, meine Liebe, werden wir uns ein kleines Schäferstündchen machen, was? Die kleine Taube wird ihrem Mann das doch nicht verwehren?«
    Mit größter Willenskraft hielt sie ein Schaudern zurück. Sie kannte ihre Schäferstündchen. Die waren bloß für ihn gedacht. Sie sollte dabei vollkommen passiv sein und seine Annäherungen dankbar annehmen.

7. KAPITEL
    Die Sonne war untergegangen, doch noch immer war es taghell, als Sol plötzlich an einer tiefen Kluft Halt machte - fern ab von der nächsten menschlichen Ansiedlung, tief in der dunkelsten Wildnis.
    Sie war müde, hungrig und mutlos, nachdem sie den ganzen Nachmittag und Abend planlos umhergeritten war. Wonach suchte sie eigentlich? Nach einem verlassenen Ort, der schon vor Ewigkeiten seine Funktion verloren hatte? Nun gab es nur noch sie allein. Was machte sie dann hier? Mit einem Seufzer sah sie in die Tiefe hinunter. Verkohlte Überbleibsel einer Zeremonie am Boden der Kluft sprachen eine deutliche Sprache. Dies mußte Ansgars Klyfta sein. Wohl kaum nach dem Ansgar benannt, der Skandinavien christianisiert hatte! Und den Abgrund kam man auch kaum runter. Sol konnte von dort aus, wo sie stand, den gesamten Boden überblicken. Der war über und über mit Gras bewachsen. Auf was für Ideen die Leute kamen! Eine Feuerstelle, die oft benutzt worden war…
    War es vorstellbar, daß noch immer jemand existierte?
    Nein das mußten Spuren von Holzfällern oder anderen Waldarbeitern sein.
    Sie durfte sich jetzt nichts einreden!
    In ihrer tiefen Einsamkeit jedoch, in diesem fremden Land, tief im Wald war Sol nahezu entschlossen, am nächsten Abend, bei Vollmond, diesen Ort wieder aufzusuchen. Würde sie vielleicht eine Nachricht oder Vibration von den Toten empfangen können, die sich hier vor Zeiten versammelt hatten? Sie wollte versuchen, sich ein kleines bißchen mit ihren Seelen verbunden zu fühlen, sie, die ein exotischer Vogel in der Welt der gewöhnlichen Menschen war.
    Traurig machte sie sich auf die Suche nach einer Stelle, der sie und das Pferd übernachten konnten.
    Der Vollmond stand über dem Meer, über den Steingräber bei Brösarps Backar und über Ansgars Klyfta tief im unheimlichen Wald weit im Landesinneren. Der Wind hatte zugenommen, und Sols Haare flatterten. Sie hatte sich ganz in Schwarz gekleidet, und die Haarsträhne, die sie dem alten Räuber abgeschnitten hatte, war oben an einem Stab festgebunden. Der starke Wind wisperte und peitschte gegen den langen Stock.
    Der Donnerstagabend war gekommen, und sie wandert durch den Wald zur Ansgars Klyfta.
    Schon von Weitem roch sie es - den Rauch eines Feuer Und beim Näherkommen sah sie eine dichte Rauchsäule aus de Kluft aufsteigen und sich zwischen den Baumwipfel ausbreite Das Herz schlug ihr schneller.
    Holzfäller, dachte sie. Aber was machten die nachts hier draußen? Köhler? Aber sie hatte in der Nähe keinen Kohlenmeiler gesehen.
    Sol blieb am Rande der Kluft stehen und schaute hinunter. Dort unten brannte ein Feuer. Drei Menschen saßen vor. Drei einsame Menschen. Zwei davon waren Frauen. Was machten Frauen um diese Zeit hier?
    Sie unterhielten sich untereinander, konnte sie erkennen, stocherten mit Stöcken in der Glut, sie …Sol schloß die Augen und holte tief Luft.
    Es waren Hexen! Sie konnten nichts anderes sein. Sie blieb lange reglos stehen.
    Bald werden sie mich entdecken, dachte sie. Ich muß ganz dramatisch aussehen, so wie ich hier stehe, mit Kleid und Haar im Wind flatternd, und mit meiner erhobenen Völvastange. Der Mond steht zudem auch noch hinter mir. Sol hatte immer Sinn für dramatische Auftritte gehabt. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als eine der Frauen den Blick hob und aufgeregt auf sie zeigte. Die

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