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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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wächst, an dem du vorbeigekommen bist«, sagte die Alte. »Aber zuerst kannst du dies hier haben. Die Beeren sind natürlich getrocknet, aber die Kraft haben sie trotzdem.« Sol bedankte sich.
    Sie wollten wissen, was sie konnte und waren von ihren Fähigkeiten ganz beeindruckt. Dann zeigten sie etwas von ihrem eigenen Können. Sie lernten voneinander, und der Abend verging schnell. Sols Eifer und Freude steckten die anderen an. Sie, Expertin in der Kunst, mit Hilfe von Kräutern Krankheiten zu kurieren, gab der kranken Frau einen Teil ihres Vorrates. Sie glaubte jedoch nicht, daß noch Rettung möglich war. Die Frau war trotzdem sehr dankbar.
    Sols Alraune erregte große Aufmerksamkeit. Sie sah in ihren Augen, daß sie ihre Seele verkauft hätten, um sie zu erwerben. Aber eine Alraune wird nicht auf die übliche Weise verkauft. Man kann sie nur kaufen, wenn bei jedem Verkauf weniger da für bezahlt wird. Am Ende ist man bei einem so niedrigen Preis angekommen, daß der Besitzer sie nicht mehr verkaufen kann - und damit geht seine Seele an den Satan. Sie kannten die Geschichten von Alraunen, die dem letzten Käufer ein Sandkorn vom Wegesrand gekostet hatten - und was kann von noch geringerem Wert sein als ein Sandkorn? Der Käufer kann die Alraune nicht wieder loswerden, und das führt ihn auf direktem Wege in die Hölle.
    Was Sols Alraune wert war, wußte niemand. Allerdings wußten sie, daß sie sie niemals verkaufen würde. Sie hatte ihnen von der Anziehungskraft erzählt, die das Reich des Abgrunds auf sie ausübte.
    »Und nun, Sol, sollst an etwas teilnehmen, was du wohl noch nicht kennst«, sagte sie jüngere Frau. »Du hast doch den Topf über dem Feuer gesehen?«
    »Ja. Kocht ihr Essen?«
    »Nein«, lachten sie.
    »Das ist ein berauschendes Mittel«, sagte der Mann. »Wir kochen das immer, um uns hier zu vergnügen. Die Kräuter, die wir dabei verwenden, sind streng geheim. Nun stellen wir den Topf zwischen uns, dann wirst du an etwas teilnehmen, was du noch nie zuvor erlebt hast.« »Werde ich etwas Besonderes erleben?«
    »Ja«, sagte die kranke Frau. »Etwas ganz Besonderes.«
    »Einen Ritt zum Blocksberg?«
    »Nein, das nicht. Den mußt du in äußerster Einsamkeit durchführen, und dir dabei viel Zeit lassen. Dies ist ein Mittel, das schlummernde Fähigkeiten zum Leben erweckt. Fähigkeiten, die in jedem Menschen verborgen liegen, von denen wir aber vergessen haben, daß wir sie besitzen.« Sol nickte. »Her mit dem Topf!«
    Stille legte sich über den Wald. Sanft erlosch das Feuer, die Nacht jedoch war noch warm. Die vier saßen unter einer Decke, wahrend sie den Dampf aus dem Kessel einatmeten. Vor Sols Augen drehte sich alles. In ihrem Kopf wirbelte alles rund, schreckliche Erscheinungen flackerten auf, kurz und diffus, so daß sie nicht imstande war, zu erkennen, was sie vorstellen sollten. Doch das rührte womöglich daher, daß sie so glücklich war, mit Menschen zusammen sein zu können, die sie verstanden, daß es ihr nicht gelang, ihre Gedanken zu sammeln. Mit einem Mal nahm der Mann die Decke fort und stellte den Topf beiseite. Sol begriff, daß sie alle das richte Maß an Trance erreicht hatten.
    Widerstandslos lehnte sie sich nach hinten an den steilen Grashügel. Die alte Frau hatte das gleiche getan, die kranke Frau fiel rückwärts aufs Gras, und der Mann sank auf seinem Platz zusammen.
    Sol war es so schwindelig, daß die Kluft umkippte und sich um ihr drehte. Sie schloß die Augen.
    Die Erscheinungen stabilisierten sich und wurden deutlicher… Der Mond leuchtete, doch es war eine andere Mondnacht, in einer anderen Zeit. Sie kniete irgendwo und riß und zerrte an einer Frau, die auf der Erde lag. Es war kalt, und sie war wohl sehr klein - denn ihre Hände sahen so klein aus im Vergleich zu der großen Frau. Als sie den Kopf hob, hörte sie ein junges Mädchen sagen: »Komm! Deine Mutter ist tot!« Das junge Mädchen mußte Silje sein! Wie jung sie ausschaute! Ein Kind beinahe noch.
    Die Erscheinung wich einer anderen. Sol saß bei jemanden auf dem Arm. Bei der Frau auf dem Arm, die sie gerade eben noch tot gesehen hatte. Bei ihrer Mutter Sunniva. Wie schön sie war! So dunkle, traurige Augen. Da war auch ein Mann - das mußte ihr Vater sein - doch er war nur undeutlich.
    Ruckartig wechselte das Bild. Ein Gesicht füllte das Blickfeld. Hanna! Sol wand sich jammernd, wollte mit ihr sprechen, aber schon war sie weg, und neue, bizarre Gesichter stiegen aus einer unbekannten Tiefe ihres

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