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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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einsetzen.« Die Frau schaute sie aus klugen Augen an.
    »Nein, du bist nicht die einzige, Kind. Du hast Gesellschaft bekommen.«
    Sol sprang auf. »Wo? Wen?«
    »Nicht wen. Welche.«
    »Sind es viele?«
    Die Alte nickte. »Die Schwenderfinnen sind von Osten ganz nach Schweden gekommen. In die Wälder von Angermanslind, Dalarna und Värmland. Von dort aus haben sie sich allmählich nach Westen begeben, und in den tiefen Solörwäldern in Norwegen kannst du sie antreffen. Dort roden sie Land. Sie brennen die Wälder ab und säen. Unter ihnen gibt es begabte Männer und Frauen.«
    Sols Augen leuchteten. »Dorthin muß ich irgendwann einmal! Glaubt mir, mein Leben ist so schrecklich einsam gewesen. Obwohl ich von einer rücksichtsvollen Familie umgeben gewesen bin, die ich liebe.«
    Der Mann nickte. »Wir kennen deine Einsamkeit. Es ist unsere eigene.«
    Sie sah auf seine Handgelenke. »Du warst in den Fängen des Landvogtes?«
    »Ja. Lange habe ich in einem Verlies geschmachtet. Oh, du weißt nicht, wie es dort aussieht, liebes Kind. Nimm dich in acht, gefangen zu werden! Es kommt vor, daß sie ihre Gefangenen immer wieder monatelang vergessen. Ich habe Frauen gesehen die in so zerlumpten Kleidern zum Feuer geführt wurden, da sie ihnen vom Körper gefallen sind.« »Wie bist du rausgekommen?«
    Er lächelte mit langen Pferdezähnen. »Durch Zauberkraft. Ich unterwarf den Willen des Gefangenenwärters.« »Großartig!« sagte Sol voller Bewunderung.
    »Aber das dauerte seine Zeit. Danach, als ich wohlbehalten draußen war, war ich nach der wochenlangen Willensanstrengung so erschöpft, daß ich mehrere Tage schlafen mußte. Ich lasse mich nie wieder einfangen.« »Da verstehe ich. Oh, ich bin bei euch so glücklich! Ich will recht lange bei euch bleiben!«
    »Nein«, sagte die jüngere der beiden Frauen. Sie sprach Dänisch, während die andere Frau aus Skäne war. »Nein, meine hervorstechendste Eigenschaft ist es, das Geschick eines Menschen zu erraten. Du mußt nach Hause. Sofort! Jemand dort braucht dich.« »Mich? Wer?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß bloß, daß ein Mensch, den du sehr gern hast, leidet. Und nur du kannst ihm helfen.« Sol war sehr ernst geworden. »Wie kann ich denn helfen?«
    »Scheu keine Mittel! Ich weiß, daß du da nicht so viele Bedenken kennst.«
    »Du weißt viel«, sagte Sol langsam und verscheuchte einen Nachtschwärmer, der in dem verlockenden Feuerschein! Selbstmord begehen wollte.
    »Ja, ich weiß viel von dir. Ich habe vor einer Weile deine Hand genommen, erinnerst du dich? Da sah ich vieles, das den Landvogt Augen und Ohren aufsperren und den Henker nach seiner Axt greifen lassen würde. Du bist wirklich etwas ganz besonderes - und eine von uns. Fahr nach Hause, Sol! Wir würden dich schrecklich gern hier behalten, weil du uns neues Leben gegeben hast. Aber dein Platz ist jetzt dort.«
    Sol nickte eifrig. »Ja! Wenn es jemandem schlecht geht, dann fahre ich. Sobald ich kann.«
    »Du sagst, du liebst deine Familie?« sagte die Alte plötzlich.
    Das kann ich kaum glauben.«
    »Warum?«
    »Weißt du denn nicht, warum ihr Eisvolk genannt werdet?« »Doch. Weil unser Tal so abgelegen war, daß man unter einem Gletscher hindurch mußte, um dorthin zu gelangen.« »Falsch. Ihr heißt so, weil ihr mit Eis im Herzen geboren seid. Du kannst niemals einen anderen Menschen lieben. Männer bekommen deinen Körper, aber niemals deine Liebe. Weil du nämlich keine hast. Nicht du, denn du bist vom echten Schlag.«
    Aber das stimmt nicht, dachte Sol verzweifelt. Oder stimmt es doch?
    Jemanden mögen? Ja. Aber lieben…?
    Tengel denn? Wenn nicht er Silje liebte, dann gab es auf der Welt nichts, was man Liebe nennen konnte! Aber Tengel war wohl im Grunde nicht vom »echten Schlag«. Tengel war eine Mischung aus dem Besten im Menschen und den bösen Unterströmungen im Blut des Eisvolkes.
    Sie selbst hingegen… Ja, was war sie eigentlich? Und was bedeutete das Wort Liebe für sie? Mit wehmütigem Blick schaute sie tief in den Wald hinter den drei anderen. Es war ein Gefühl, als fege der kalte Windzug mitten durch sie hindurch, geradewegs in ihre Seele.
    Die anderen saßen still und betrachteten sie. Doch sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht darüber reden. Fieberhaft ging sie zu einem anderen Thema über.
    »Könnt ihr mir bei der Suche nach Nachtschatten helfen?« Da lächelten sie - ahnten wohl, wozu sie das Kraut brauchte. »Wir werden dir eine Stelle zeigen, wo es an dem Fluß

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