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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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vorhergesehen. Zwei große nasse Flecken auf der Brust waren das letzte, was sie jetzt brauchen konnte. Erschrocken flüsternd berichtete sie ihrer Schwiegermutter von ihrem Dilemma.
    Liv nickte verständnisvoll und schob heimlich ihren Schal hinüber auf Yrjas Schoß. Yrja tat, als hätte sie etwas auf den Boden fallen lassen, und während sie sich hinunterbeugte, stopfte sie rasch den Schal unter die Bluse und legte ihn über die bewußten Stellen. Zwar sah sie nun merkwürdig ausgepolstert aus, aber ein paar Beulen mehr oder weniger an ihrem unförmigen Körper fielen sicher nicht auf, dachte sie. Dankbar drückte sie Livs Hand. Liv lächelte zurück. Cecilie, die Yrjas Bemühungen mit heiterer Verwunderung beobachtet hatte, begriff nicht viel. Aber sie sah das stillschweigende Verständnis zwischen den beiden, und sie merkte, wie lieb sie sie hatte.
    Herr Martinius hatte Cecilie längst entdeckt. Sie hätte nicht kommen dürfen, dachte er fieberhaft. Ich habe die ganze Nacht wachgelegen und an sie gedacht. Ich glaube, ich liebe sie. Jedenfalls begehre ich sie - aber da ist noch mehr, ich weiß, daß wir glücklich miteinander geworden wären. Ja, ich liebe sie, das tue ich, das weiß ich. Und das darf ich nicht, ich bin ein verheirateter Mann und ein Geistlicher obendrein. Aber ach, was half es, sich das Gewissen zu zermartern? Sein Herz hämmerte mit gewaltiger Kraft, und er hatte große Probleme mit seiner Predigt, ständig verlor er den Faden. Cecilie dagegen machte sich keine Illusionen über eine glückliche Ehe mit ihm. Sie teilte seine Religiosität nicht, und sie wollte schon gar keine gute Pfarrersfrau werden! Es war der Mann Martin, der sie interessierte.
    Sie betrachtete ihn ungeniert, denn das durfte sie als andächtig lauschendes Gemeindemitglied. Aber sie nahm kaum eines der ehrwürdigen Gottesworte wirklich in sich auf. Wie ähnlich er Alexander doch ist, staunte sie, und jedesmal, wenn sie an Alexander dachte, versetzte es ihr einen Stich vor Kummer, Schmerz und Wehmut. Erst jetzt begriff sie, wie viel ihr der junge Adlige bedeutet hatte, der so ausweichend und schwer zu verstehen gewesen war. Sie wußte nicht, was genau die Ähnlichkeit zwischen den beiden ausmachte, denn Alexander war ja viel vornehmer, viel aristokratischer. Es hing irgendwie mit den Augen und dem Lächeln zusammen. Ja, das war es. Jedesmal, wenn Martin lächelte, erschien dieser wehmütige Ausdruck in seinen Augen. Ein Hauch von Bitterkeit und Trauer. Ja, alle beide hatten sie ihr Kreuz zu tragen.
    Cecilie drehte den Kopf ein wenig und sah hinüber zu Marias »Kreuz«. Liv hatte ihr gezeigt, wer die Pfarrersfrau, die liebreizende Julie, war.
    Doch, süß war sie! Sie saß auf einem Platz, von dem aus sie gleichzeitig die Gemeinde und ihren Mann im Auge hatte. Sie ist wirklich wunderschön, dachte Cecilie. Blonde Korkenzieherlocken unter der Gattinnenhaube umrahmten ein zartes, herzförmiges Gesicht mit großen Augen und einem kleinen Mund. Ein allzu kleiner Mund, der mit den Jahren noch mehr zusammenschrumpfen würde, dachte Cecilie, die einen Hang zur Bosheit hatte, wenn es um Leute ging, die sie nicht leiden konnte. Und Julie konnte sie ganz und gar nicht leiden. Kalte Augen, hatte Tarald gesagt. Auf den ersten Blick schien das gar nicht so. Julies Augen ruhten milde auf den Versammelten. Aber letzt… jetzt schaute sie auf ihren Mann. Ihre Augen wurden schmal und anklagend, als er wieder einmal verunsichert in seiner Predigt hängenblieb. Im nächsten Moment durchbohrten ihre Augen Cecilie. Eisblau, eiskalt, unversöhnlich.
    Sie weiß es!, dachte Cecilie schockiert. Sie weiß, daß Martin und ich miteinander gesprochen haben. Daß wir uns mögen und verstehen. Aber sie hat den Verdacht, daß wir noch mehr miteinander gemacht haben.
    Eine schmutzige Phantasie hat sie also auch noch, dieses kleine scheinheilige Ungeheuer.
    Cecilie erwiderte den Blick unschuldig und legte einen lammfrommen, treuherzigen Ausdruck hinein, der die Weibsperson gewaltig irritieren mußte.
    Julie ihrerseits hegte auch nicht gerade liebenswürdige Gedanken.
    Das ist sie also - dieses lose Flittchen, das hinter meinem Mann her ist. Aber was um alles in der Welt findet Martin bloß an der? Die ist ja nicht mal hübsch, kann sich doch nicht im entferntesten mit mir messen! Dunkelrote Haare - allein das ist ja schon ein Zeichen für ihre Sündhaftigkeit, und freche Augen hat sie auch. Ja, frech, das sind sie, auch wenn sie noch so sehr versucht,

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