Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht
bemüht, in den Krieg einzugreifen. Ob seine Motive nur religiöser Art waren, durfte gewiß bezweifelt werden. Die Eroberungen und das persönliche Prestige waren wohl nicht weniger verlockend. Aber der dänische Reichsrat war knauserig und wollte nichts bewilligen, weder Geld noch ein Kriegsheer. Gefährlich war auch sein Konkurrent Gustav II. Adolf von Schweden, ein Krieger höchsten Ranges und tief gläubig. Falls Christian sich nicht beeilte, könnte Gustav Adolf der Anführer der Protestanten während des Feldzugs gegen die vorrückenden Katholiken in Deutschland werden. Beiden Herrschern war die Führerschaft angetragen worden, aber der schwedische König stellte weitreichendere Bedingungen. Also handelte Christian auf eigene Faust, ohne den Segen seines Reichsrates. Er versprach den protestantischen Bundesgenossen, ein Heer mit mehreren tausend Mann Fußvolk und Dragonern aufzustellen. Enthusiastisch begann er, Landsknechte zu rekrutieren, überwiegend europäische Söldner, außer natürlich seinen Dänen. Aber er versuchte es auch mit norwegischen Bauern, obwohl Dänemark schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hatte. Sie besaßen nicht die Spur von Kampfgeist.
Das stimmte zwar, aber es war doch eine ungerechte Bewertung. Denn wie konnten die dänischen Könige Kampfgeist erwarten? Die Norweger konnten sehr wohl für Norwegen kämpfen, gewiß. Aber mit Dänemarks Angelegenheiten hatten sie nicht viel am Hut.
So gab auch Christian IV. es bald wieder auf, Norweger für diesen Krieg zu verpflichten. Aber bis es soweit war, hatte er doch eine Schiffsladung äußerst widerstrebender Bauern beisammen, zwangsrekrutiert aus den Dörfern und Siedlungen rund um Oslo, aus dem Lehen Akershus.
Ins Kirchspiel Grästensholm kamen das dänische Preßkommando an einem klaren, schönen Tag im zeitigen Frühjahr. Schockierte Familien mußten erleben, wie ihre jungen, kräftigen Männer und Söhne aus dem Haus oder vom Feld geholt und abgeführt wurden.
Das Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und die Männer liefen fort und versteckten sich. Liv schickte Yrja in den Wald, um Tarald Bescheid zu geben, daß er sich in einer Köhlerhütte verborgen halten sollte, bis die Dänen wieder fort waren. Yrja lief sofort los, ihr Herz hämmerte vor Angst, ihn vielleicht in einem sinnlosen Krieg zu verlieren. Voller Panik versuchte sie alles, ihn rechtzeitig zu finden. Aber Klaus und Rosa hatten nichts von all dem mitbekommen. Deshalb kam das Preßkommando und wollte ihren Jungen holen, Jesper.
Klaus, inzwischen in den Fünfzigern, starrte sie verzweifelt an. »In den Krieg? Kämpfen? Gegen wen?«
»Gegen die Katholiken natürlich, unten in Deutschland.« »Katholiken? Was sind das für Wesen? Sind das Trolle oder Kobolde?«
»Bist du blöd, Mann? Du wirst doch wohl begreifen, daß wir unseren Glauben gegen die Papisten verteidigen müssen.« Klaus sah sie hilflos an. Papisten, das Wort sagte ihm nichts Rosa und die kleine Tochter weinten, und Jesper versuchte sich loszureißen. »Wo ist das, Deutschland?« fragte Klaus.
Die Männer waren ungeduldig. »Ach, da unten im Süden.« »Im Süden von Akershus?«
»Ja, Herrgott nochmal, südlich von Dänemark.«
Er schluchzte auf. »Ich will meinen Sohn nicht hergeben, damit er für etwas kämpft, von dem wir nichts verstehen, in einem Land weit, weit fort. Ihr dürft ihn nicht mitnehmen, das sage ich dem Herrn Baron!«
»Der König hat es befohlen, und da heißt es gehorchen, auch für Barone. Komm jetzt, Bursche.«
»Vater!« schrie Jesper herzzerreißend, als er abgeführt wurde. Klaus rannte hinterher, und die Tränen strömten ihm die Wangen hinunter. Er versuchte, den Jungen an sich zu reißen, aber die Landsknechte stießen ihn mit ihren Gewehrkolben zurück, so daß er liegenblieb und nach Luft rang.
Auf Lindenallee starrte Are das Preßkommando entgeistert an.
»Meine beiden Söhne? Aber ein Sohn ist schon draußen in der Welt, und die anderen brauche ich auf dem Hof. Wir können nicht auf sie verzichten!«
»Du bist doch noch jung und gesund, Mann, du kommst schon allein mit dem Hof zurecht. Seine Majestät braucht deine Söhne. Es ist eine große Ehre, für das Vaterland zu kämpfen.« »Welches Vaterland denn?« fauchte Are.
»Für Dänemark natürlich, und für den rechten Glauben.« »Wir pfeifen auf alles beides! Wir schicken unsere Söhne nicht hinaus ins Ungewisse in einen Kampf, der uns nichts angeht.«
Trond griff ein. »Laß mich gehen, Vater! Ich
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