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Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Titel: Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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zumute war? Gewiß hatte ich Anspielungen gehört, daß es solche Abweichungen geben solle, doch ich glaubte, das Ganze sei grober Unfug! Und nun war ich einer von ihnen. Einer von denen, die meine Kameraden höhnisch belächelten und über die sie vielsagend fabulierten. Ich tobte vor Wut, weinte und verfluchte mich selbst, ich biß mir aus Ekel vor mir selbst bis aufs Blut in die Finger, ich betete zu Gott um Hilfe, um wieder normal zu werden, aber meine Sehnsucht nach dem Jüngling blieb bestehen. An diesem und an allen anderen Tagen, bis ich Versetzung beantragte und sie mir genehmigt wurde. Denn er interessierte sich ausschließlich für Mädchen, in mir sah er einen Kameraden und nichts anderes, und ich werde lieber gestorben, als mich zu offenbaren.«
    In Cecilie machte sich Mitgefühl und Verzweiflung über sein Schicksal breit. Sie erkannte, wie wenig sie über die Menschen und ihr Leid wußte. »Und dann?« fragte sie leise.
    »Ja, zuerst tat ich alles, um mir diese Gelüste auszutreiben. Die Stunden, die ich im Gebet verbracht habe, zu Hause auf meinem Zimmer oder in der Kirche, kann ich nicht zählen. Doch viele Jahre hindurch liebte ich diesen jungen Mann, auch wenn ich ihn niemals wiedersah. Und am Ende resignierte ich. Ich versuchte zu akzeptieren, daß ich anders war. Da wurde alles viel leichter. Aber bei Gott, nicht mit einer Miene wagte ich, mich zu offenbaren.«
    Aufgeregt, wißbegierig und ungeduldig setzte sie sich auf. »Aber wie konntest du nur so leben im … Zölibat?« Er zuckte die Schultern. »Konnten es die Mönche, dann konnte ich es wohl auch, so redete ich es mir ein. Bis mir Hans begegnete …« Cecilie wartete ab.
    Alexander dachte lange nach, als handele es sich dabei um etwas, worauf er nur höchst ungern zu sprechen käme.
    »Hans war es, der den ersten Schritt machte. Er war ein erfahrener junger Mann. Und er faßte Zuneigung zu mir, zögernd, umsichtig, verlockend… Ich traute meinen Augen kaum! Er war so anziehend, ja, du hast ihn ja gesehen, und ich wurde rettungslos von ihm angezogen, ich sah in ihm eine Hoffnung, denn er war in jeder Hinsicht ein angenehmer Mann, und zugleich sträubte ich mich gegen all diese Gelüste in mir.«
    Da Alexander in Redefluß gekommen war, überschlugen sich seine Worte, zwischen den einzelnen Sätzen bestand nicht immer ein Zusammenhang - als läge es ihm nun am Herzen, alles zu sagen, ganz gleich in welcher Reihenfolge.
    »Daß deine Nerven das ausgehalten haben«, sagte Cecilie. »Ich war mehrmals kurz davor, den Verstand zu verlieren«, gestand er. »Ich weiß, daß ich mich zu jener Zeit wie wahnsinnig gebärdete. Ich ging lange Strecken durch die Korridore des Schlosses, allein in der Hoffnung, einen Schimmer von ihm zu erhaschen, vermied Orte, von denen mir bekannt war, daß ich ihm dort begegnen würde, unterhielt mich forciert mit Frauen, um Gott weiß wem zu beweisen …Oh, Cecilie, ich hatte solche Angst! Ich war vor Furcht wie gelähmt! Dann fragte Hans mich eines Tages, ob ich mitkommen wolle, um seine Freunde zu besuchen. Sehr zögernd sagte ich zu.«
    Nun hätte sie gewünscht, die Kerzen würden brennen. Sie wollte seine Augen sehen, wollte, daß er das Mitgefühl in den ihren las. Da sie ahnte, daß er sie brauchte, ergriff sie seine Hand und drückte sie kurz, bevor sie sie wieder losließ. Eine allzu intime Atmosphäre würde er nun auch wieder nicht schätzen, dachte sie.
    Alexander schwieg wieder, dann fuhr er fort: »Hans hatte es verstanden! Er hatte mich durchschaut, wie, weiß ich nicht. Womöglich waren meine entsetzten Blicke, die zweifelnd seine suchten, allzu beredt gewesen. Und dann lernte ich seine Freunde kennen! Sie waren wie ich, Cecilie, und es waren viele! Ich könnte Namen nennen, die dir die Sprache verschlagen würden. Zuerst war ich ungeheuer verlegen, doch sie waren sehr freundlich und erzählten aus ihren Leben, die meinem verblüffend glichen. Doch das allerwichtigste war: Sie lehrten mich, schließlich das zu akzeptieren, was nicht zu verstehen war, niemals Scham zu empfinden, sich aber auch niemals vor anderen zu offenbaren und ebenso wenig sie, meine Leidensgenossen, zu entlarven. Sie lehrten mich, daß es das Urteil der Mitmenschen sei, das am schwersten zu bewältigen ist. Untereinander konnten sie glücklich sein, wenn sie ihre Verzweiflung hinter sich gelassen hatten.« Er schlang die Hände fester um die Knie. »Hans begleitete mich an jenem Abend nach Hause«, sagte er leise. »Mehr will ich

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