Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
dazu nicht sagen.«
»Das mußt du auch nicht«, sagte Cecilie mit Tränen in den Augen und mit entlarvend belegter Stimme. »Dann war Hans also deine einzige echte Bindung?«
»Ja. Zwei Jahre lang ging es gut. Am Ende wären wir beinah entdeckt worden, wie du weißt. Hans war so achtlos, als bereite es ihm Vergnügen, meine Besorgnis zu sehen. Vielleicht hielt er sich für unverletzlich oder unsterblich oder zumindest für so etwas in der Art. Und nun hat er mich verlassen. Es ist ein neuer Mann, der kürzlich erst in die Stadt gekommen ist und deshalb keine Bedenken hegt, mich als Hans früheren Freund anzugeben. Du kennst den Wunsch, beim Fall möglichst viele mit sich zu reißen.«
Cecilie nickte. »Den haben wohl die meisten Menschen.« »Ja. Schon heute muß ich zum Gerichtsverfahren nach Kopenhagen zurück.«
Heute? Der Morgen dämmerte ja schon. Ihre Hochzeitsnacht war rasch zu Ende gegangen. »Ich komme mit.«
»Lieber nicht, Cecilie. Es kann ziemlich unangenehm werden, das Ganze.«
»Aber ich kann deine Aussagen untermauern. Du kannst keinen Meineid begehen, sagst du. Ich bin da nicht so empfindlich. Das Eisvolk hat schon immer seine eigene Form von Religion gehabt - die sachlicher ist als das herkömmliche Christentum. Übrigens: Ist ein Gerichtsverfahren wirklich notwendig? Reicht denn diese Ehe nicht als Beweis aus?«
»Vielleicht. Zumindest ist sie ein schwerwiegendes Argument. Ich glaube nicht, daß die Leute im allgemeinen wissen, daß es Männer gibt, die mit beiden Geschlechtern verkehren. Wenn sie es wissen, dann hilft mir diese Scheinehe nur sehr wenig. Andernfalls…«
Er sprang auf. »Oh, Gott! Wir haben etwas vergessen! Deine Ehre muß ja auch gerettet werden, liebste Freundin!«
Cecilie sah verwirrt aus, während er eine der Kerzen entzündete. Es war ein so unwirkliches Gefühl, ihn wieder zu sehen - für lange Zeit waren sie nur Stimmen in einem vertrauten Dunkel gewesen. Nun erschien es ihr unfaßbar, daß es dieser kräftige, männliche Fremde war, der ihr erstaunliche Details aus seinem Leben anvertraut hatte. Ja, ein Fremder war er trotz allem, dieser Alexander von Paladin. Und dieser Gedanke sandte ein Beben der Anspannung durch ihren Körper.
Mit diesem Mann werde ich mein gesamtes Leben teilen, dachte sie. Es ließ sich nicht leugnen, daß es ihr bei diesem Gedanken schwindelte.
Aus der Obstschale auf dem Tisch hatte er ein scharfes Messer genommen. Mit dem schnitt er sich leicht in die Fingerspitze und preßte Blut heraus. Im Kerzenschein sah es fast schwarz aus. »Rück ein Stück zur Seite«, befahl er.
Sie tat es rasch und irritiert. Alexander ließ ein paar Bluttropfen auf das Bettlaken fallen, ungefähr in die Mitte des Bettes.
»So!« sagte er zufrieden. »Morgen wird sich das Gerücht verbreiten, daß die Ehe zwischen Alexander von Paladin und der Jungfrau Cecilie vollzogen ist.«
Sie atmete auf. »Danke, Alexander! Das war nett und aufmerksam von dir.«
»Das war zu unser beider Nutzen«, lächelte er freundlich. Cecilie begann zu lachen. »Ich glaube, es hat schon langweiligere Hochzeitsnächte gegeben!«
Er lachte ebenfalls aus vollem Herzen. »Auch peinlichere, möchte ich annehmen! Danke für die wunderbare Kameradschaft, kleine Cecilie und für das Verständnis!« »Hat dir das Reden geholfen? Hat es dich etwas erleichtert, meine ich?«
»Und wie! Alles scheint reiner, in gewisser Weise.« »So geht es mir auch. Ich verstehe jetzt viel mehr. Du, Alexander, erst eben dachte ich mit einem Stich der Angst, daß ich dich überhaupt nicht kenne. Ich heirate einen Fremden, und wir werden eine sehr unkonventionelle Ehe führen. Aber das gleiche gilt ja auch für dich. Wird dir bei dem Gedanken nicht auch etwas bange?« Er schaute sie nachdenklich an, hatte die Kerze noch nicht gelöscht. »Diese Gedanken gingen mir gestern durch den Kopf, für einen kurzen Augenblick. Doch dann beruhigte ich mich damit, daß so eine Ehe wie unsere leichter zu lenken sein wird als andere, als normale. Unsere Ehe basiert auf Rücksichtnahme und Respekt, nicht wahr? Uns bleiben die emotionalen Reibereien erspart, wie sie in einer intimen Lebensgemeinschaft auftreten können - wie Eifersucht, Angst, nicht geliebt zu werden oder einfach das enge Zusammenleben, bei dem man nicht die Möglichkeit hat, sein eigenes Leben zu leben. Denn du weißt, Cecilie, jeder Mensch hat das Recht auf einen eigenen kleinen Winkel in seiner Seele, zu dem kein anderer Zutritt hat. Das ist der Punkt, an
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