Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
dem so viele andere Ehen scheitern. Man will den anderen vollkommen besitzen, mit Haut und Haaren, nicht tolerieren, daß er oder sie eigene Interessen hat, und seien sie noch so unschuldig.«
Sie nickte. »Ich glaube, unsere Freundschaft kann wirklich wertvoll werden, Alexander. Danke für deine Worte, nun bin ich wieder ruhiger. Du verstehst, ich habe so schreckliche Angst, im Weg zu sein!«
Er lächelte. Seine Augen wurden stets so warm, wenn das Lächeln sie erreichte. »Davor mußt du nie Angst haben. Aber das gleiche gilt auch für mich. Ich möchte höchst ungern dir im Weg sein.«
»Das bist du doch nicht«, lachte sie. »Du, ich bin wirklich ziemlich müde, habe ich gerade festgestellt.«
»Gewiß. Es hat sich alles ganz schön in die Länge gezogen! Wir können gern noch etwas schlafen.«
Sie legten sich behutsam in gebührendem Abstand von einander ins Bett. Cecilie schlief fast sofort ein. Befreit und beruhigt wie Alexander sich fühlte, folgte er ihr bald in den tiefen Schlaf.
Als die Prozession, die bekräftigen sollte, daß im Laufe der Nacht alles rechtens vonstatten gegangen war, am Morgen hereinkam, lagen sie beide bedeutend dichter beisammen. Im Schlaf hatten sich ihre Hände gefunden.
Denn die Prozession mußte sein. Alexander von Paladin war von fürstlichem Geschlecht, und da forderte es der Hochzeitsbrauch, daß eine Deputation aus den angesehenen Männern und Frauen den Vollzug der Ehe bezeugte. Früher einmal war es so arg gewesen, daß sich würdige Männer und Frauen während der Hochzeitsnacht im Brautgemach aufhalten mußten. Nun hatte man die Vorschriften auf allgemeinen Druck hin etwas gelockert. Dafür konnten die beiden »Missetäter« Cecilie und Alexander dankbar sein.
Die Prozession schlich auf leisen Sohlen heran und versammelte sich rund um das überwältigende Himmelbett. Nicht ein Wort kam über ihre Lippen, um die anscheinend vollkommen ermatteten Neuvermählten nicht zu stören.
Die ehrwürdigen Männer und Frauen nickten bloß. Alles sah sehr gut aus. Daß die Kerzen fast ganz heruntergebrannt waren, bedachten sie nicht.
4. KAPITEL
Trotz seiner Proteste begleitete Cecilie Alexander nach Kopenhagen. »Niemand kann dir besser helfen als ich,« behauptete sie.
Er sah es ja ein, hatte aber dennoch Einwände. »Ich will nicht, daß du meinetwegen lügst.«
»Ha!« sagte Cecilie. »Für das Leben meiner nächsten Angehörigen kann ich lügen, daß sich die Balken biegen, ohne daß es meinem Gewissen das Geringste anhaben kann! In dieser Hinsicht bin ich so schamlos wie meine Vorgängerin Sol. Obwohl sie darin noch weitergegangen ist, sagt man. Sie tötete frohen Mutes jeden, der ihren Lieben zu nahe kam.«
»Danke«, erschauderte Alexander. »So weit solltest du, glaube ich, nicht gehen.«
Doch in einem Punkt gab er nach: Cecilie durfte bei der Gerichtssitzung anwesend sein.
Diese Gerichtsverhandlung wurde in einem Saal des Kopenhagener Schlosses einberufen. Viele Neugierige hatten sich versammelt, Offiziere und vornehme Leute, sah Cecilie, denn dies war eine sehr bekannte und delikate Angelegenheit. Zunehmend gewann sie den Eindruck, daß Alexander von Paladin im Reich ein bedeutender Mann war.
Sein Majestät war nicht zugegen, auch nicht Kirsten Munk. Aber ansonsten erkannte sie viele hohe Herren und Damen vom Hofe, so daß der König und seine liebende Gemahlin gewiß ihre jeweiligen Spione ausgeschickt hatten.
Sie sah Hans wieder, das letzte Mal lag schon lange zurück. Freilich war er schön, etwas zu schön für ihren Geschmack. Gekleidet wie ein Geck, in Wellen frisiert, mit glitzerndem Gold überladen, und seine Bewegungen waren etwas zu feminin, fand sie. An Alexander gab es nichts Feminines. Ganz im Gegenteil, er war nahezu schmerzlich männlich.
Der andere Mann war älter, sehr braungebrannt, als habe er sich im Süden aufgehalten, das Haar nur ein Kranz an Ohren und Nacken. Er war wie so viele Männer mittleren Alters tonnenförmig dick, ein Ergebnis zu starken Biergenusses. Die Weste aus Sämischleder spannte sich wie ein Zelt um seinen Bauch, und die Beine in der engen Hose wirkten lächerlich schmächtig. Ein riesengroßer Kragen flößte Cecilie Furcht ein. Es hatte den Anschein, als könne er jeden Augenblick durch das Gewicht vornüber kippen.
Aber so sehen heutzutage die meisten älteren Herren aus, dachte sie.
Der Mann war bereits verloren. Er war auf frischer Tat ertappt worden. Nichts konnte ihn mehr retten. Cecilies Herz empfand Mitleid
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