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Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Titel: Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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starrte er auf die tote Gestalt.
    »Gütiger Gott, das ist ja Trond! Aber wie sieht er aus? Die gebrochenen Augen starrten in mattgelben Glanz hinauf ins frühe Morgenlicht.
    »Er war vom Fluch befallen, Brand. Großvater wußte daß es einer von uns war. Cecilie hat es mir einmal gesagt. Sie hat gehört, wie Großmutter es vor sich hin gemurmel hat.«
    Brand war nicht klar, daß er laut sprach: »Ja, denn in jeder Generation muß es einen geben …«
    Tarjei sagte gedankenvoll: »Das war in unserer Familie immer so, daß es vom Fluch befallene, Böse gegeben hat, die die Zaubermittel erbten. Aber Großvater ist davon abgewichen, er wollte, daß sie in den Dienst des Guten gestellt werden. Deshalb hat er mir verboten, Kolgrim etwas zu überlassen. Und deshalb habe ich mich geweigert, unserem armen, verstörten Bruder etwas davon sagen.«
    Tränen liefen wieder über sein Gesicht, ohne daß er sie zurückhalten konnte. Er seufzte.
    »Er hat Tarjei überfallen«, stammelte Jesper, immer noch im Schock über seine eigene Heldentat. »Er war so verrückt!«
    In seiner Verzweiflung rief er laut: »Aber wie konnte das geschehen? Daß er so wurde?«
    »Der Krieg. Das Töten. Das Blut«, sagte Tarjei betrübt. »All das muß die bösen Kräfte ausgelöst haben. Und Trond hat es immer zum Krieg gezogen, das dürfen wir nicht vergessen. Etwas davon steckte schon damals in ihm.«
    Er trat an die Leiche und drückte seinem Bruder die Augen zu. Als der gelbe Schimmer verschwunden war, bekam das Gesicht seinen friedlichen Ausdruck zurück. Einige Offiziere tauchten auf.
    »Was ist hier passiert? Was? Unser tapferster junger Krieger tot? Ihr hättet ihn vor ein paar Stunden sehen müssen! Er bewies eine so einzigartige Tapferkeit, daß Oberstleutnant Kruse sich bereits entschlossen hatte, ihn zu befördern. Ich persönlich habe beobachtet, wie er mindestens sechs katholische Teufel getötet hat. Ach, es ist doch traurig!«
    »Aber ein ehrenvolles Begräbnis wird er bekommen«, sagte der andere. »Als einer der Helden von Nienburg!« Die drei Norweger sagten zunächst kein Wort. Dann sagte Tarjei sanft: »Er war unser Bruder.« Der Befehlshaber sprach ihnen sein Beileid aus. Dann wandte sich der eine an Jesper.
    »Dieser junge Gauner hat das Heer entehrt. Er wurde vorhin dabei beobachtet, wie er desertiert ist.« »Nein, Hauptmann«, sagte Brand rasch. »Es war sein erster Kampf, und er ist ihm nicht gut bekommen. Er mußte sich wegen einen dringenden Bedürfnisses in die Büsche schlagen.«
    Die Befehlshaber verzogen den Mund, und Jesper lächelte unsicher, dankbar über diese Rettung. Um Tronds Leichnam kümmerte man sich erfurchtsvoll, und Tarjei kehrte wieder in das dunkle, häßliche und baufällige Lazarettzelt zurück.
    Je mehr Leben man auslöscht, um so mehr wird man geehrt, dachte er müde. Wer niemandem Schaden zufügen will, wird verachtet und weggestoßen.
    Brand und Jesper gingen schweigsam und niedergeschlagen zurück zu ihrer Kompanie. So erschüttert waren sie von dem unbegreiflichen Geschehnis, daß sie nicht auf den Weg achteten.
    Mit einem Mal waren sie wieder mitten auf dem Schlachtfeld.
    Eine Kugel verirrte sich - und traf Jesper am Fuß. »Ich sterbe«, schrie er, wobei er sich am Boden wälzte. »Jetzt sterbe ich. Mama! Mama ich will nach Hause!« »Schsch, komm, stütz dich auf mich und halt die Klappe«, flüsterte Brand. »Wir müssen weg von hier. In Tarjeis Zelt.«
    »Mama! Papa, mein lieber Papa«, schluchzte Jesper, als sie davon hinkten. »Ich will nicht mehr länger hier bleiben. Alles ist so schrecklich. Ich will nicht, daß die Leute wütend aufeinander sind.«
    So simpel konnte man es auch ausdrücken - das, wofür Staatsmänner so viele, große Worten brauchen. Alexander von Paladin kam wieder zu sich. Diffus, unvollständig. Noch immer keine Schmerzen.
    Es war Tag. Er hörte Gejammer um sich herum und erkannte, daß er noch immer im Lazarettzelt lag. Er fragte sich, wie lange er hier schon gelegen haben mochte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
    Den ekelerregende Geruch, den Gestank von altem Blut, kannte er, er war früher schon in solchen Zelten gewesen, dieses hier wirkte ungewöhnlich sauber, nach dem Wenigen zu urteilen, was er davon wahrnahm. Keine Haufen von abgesägten Gliedmaßen, die woanders herumzuliegen pflegten. Hingegen verspürte er einen Brandgeruch, wahrscheinlich von einem Feuer in der Nähe, in das man alles unangenehme und Tragische warf.
    Die Augenlider waren schwer, die

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