Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
Kenntnisse.«
»Aus Norwegen, hm?« sagte König Christian, der herzliche Gefühle für sein zweites Land hegte. »Dort hatten sie einmal den besten Heilkundigen, den es je gegeben hat. Leider ist er jetzt tot. Tengel hat er geheißen.« »Dieser ist sein Enkel, Euer Majestät.«
Der König sprang auf, so daß es wie mit Messern in seinen Kopf schnitt. »Aua, oh, nein!«
Er sank wieder nieder. »Hol ihn! Sofort! Den Jungen will ich sehen.«
Seine Majestät grunzte zufrieden. Herrn Tengels Enkel. Hervorragend!
Es dauerte eine Weile, Tarjei vom Feldlazarett zum privaten Quartier des Königs nach Nienburg zu bringen. Der Leibmedikus stellte den jungen Mann vor. »Tarjei Lind vom Eisvolk?« fragte der König. »Ich hatte leider nie das Vergnügen, deinen Großvater kennenzulernen - oder sagen wir, ich hatte das Glück, gesund zu sein, so daß ich ihn nie rufen mußte. Neulich bin ich übrigens; einem anderen seiner Enkelkinder begegnet. Der Hofdame meiner lieben Frau.«
»Ja, Cecilie«, lachte Tarjei. »Meine Cousine. Sie spricht stets sehr herzlich von Euer Majestät.«
Beide verstanden das Unausgesprochene: Aber nicht von Kirsten Munk.
Dann durfte Tarjei zeigen, was er konnte. Der König mußte sich wahrhaftig einer Untersuchung unterziehen. Nicht ein Zoll des hochwohlgeborenen Körpers entging Tarjeis Untersuchung. »Die Leber ist nicht gesund«, sagte er.
»Nein?« sagte der König. »Ist es etwas Ernstes?« »Noch nicht. Aber sie ist etwas vergrößert.« »Was kann man daran ändern?«
»Die Beschwerden rühren von starkem Alkohol her, Euer Majestät«, sagte Tarjei diplomatisch.
»Hm«, grunzte Christian. »Na, dann habe ich eben eine schlechte Leber.«
Der junge Norweger fand noch einige weitere Gebrechen.
»Aber ansonsten kann ich behaupten, daß Eure Majestät bei auffallend guter Gesundheit sind, in Anbetracht des Alters und des enormen Arbeitspensums. Es ist gut, wenn man sich einer robusten Konstitution erfreuen kann.«
Das zu hören, behagte dem fast 50-jährigen Monarchen. »Aber …,« fuhr Tarjei streng fort. »Euer Leibmedikus hat vollkommen recht. Euer Majestät müssen mindestens noch eine Woche das Bett hüten.«
»Aber Tilly wird seine Truppen zusammenziehen. Und Wallensteins Heer bedroht uns im Hintergrund. Gott weiß, wo der jetzt steckt.«
»Daran ist nichts zu ändern. Eurer Majestät Gesundheit geht vor. Eine Kopfverletzung kann zu lebenslangen Schäden führen, wenn man sie nicht rechtzeitig behandelt.«
Widerstrebend stimmte Seine Majestät zu, sich weiterhin zu schonen.
Mitte August war er allerdings wieder gesund genug. Und berief sofort eine Beratung ein, energisch und tollkühn wie eh und je. Und dann wurde zum Kampf geblasen.
Die Schlacht um Nienburg sollte nie in die Geschichte eingehen, dazu war sie zu leicht gewonnen, zu verschwommen und unbedeutend. Einen ganzen Monat dauerte der Kampf, ohne daß es zu größeren Zusammenstößen gekommen wäre. Lediglich hier und da zu kleinen Scharmützeln.
Es war Tilly, der am Ende zurückweichen mußte, und König Christian begann, voller Übermut und Siegestaumel das katholische Heer bis zu dessen Zufluchtsort zu verfolgen.
Doch bei Nienburg geschah es, daß der vom Fluch Befallene des Eisvolkes seinen ersten Menschen tötete. Es geschah an einem Abhang vor der Stadt, und mit Ehrfurcht starrte er auf seinen blutigen Degen. Der getötete Söldner lag zu seinen Füßen.
Fasziniert betrachtete er das Blut. Seine Augen begannen zu funkeln und zu schimmern, und er lachte leise. »Ich bin unsterblich, unbesiegbar!« flüsterte er vor sich hin. »Ich bin wirklich einer von ihnen!«
Voller Aufregung schlich er sich ins Gestrüpp, um noch weitere Katholiken aufzuspüren.
Bevor der Abend hereingebrochen war, hatte er fünf niedergestochen - die meisten von hinten - und bei jedem, Mal wurde die gelbe Glut in seinen Augen tiefer. Für die Muskete hatte er nur Verachtung übrig. Es war die blutige Klinge, die ihm zusagte. Der böse Geist des Eisvolkes hatte endlich die Macht über das vom Fluch befallene Enkelkind Tengels übernommen. An jenem Abend brachte Jesper einen Jungen mit einer; verletzten Hand zum großen, häßlichen Zelt des Feldlazaretts. »Aber in Jesu Namen!« rief Jesper. »Das ist ja Tarjei! Was um Himmels Willen machst du hier!«
Tarjei wiederum starrte ihn verdutzt an. »Nein, aber ist das nicht der freche Sohn des Stallknechts? Was in aller Welt…?«
Die Wiedersehensfreude war groß und echt. Sie nahm noch zu,
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