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Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Titel: Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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makabren Dinge, die geschehen waren. Freilich versicherte der Flachskopf, daß kein Wort über seine Lippen kommen würde. Aber Brand hatte entsetzliche Angst, daß ein brenzlige Situation der einfachen, lieben Seele große Schwierigkeiten bereiten würde. Schon ein unbedachtes Wort von Jesper könnte ausreichen, um bei Tronds Eltern Mißtrauen zu erwecken.
    Auf halber Strecke nach Dänemark brach im Transport die Ruhr aus. Sie versetzte die bereits hilflosen Kriegsversehrten in einen furchterregenden Zustand. Hier war kein Tarjei zur Stelle. Brand, der unverletzt war, mußte einspringen und mithelfen, die Tragen sauber zu halten. Jesper ging nun auf Krücken und konnte sich selbst versorgen. Doch die Folge von Brands Hilfsbereitschaft war natürlich, daß er sich selbst mit der Krankheit ansteckte.
    Viele mußten zurückgelassen werden - in eilends ausgehobenen Gräbern entlang des Weges. Einer nach dem anderen schied auf seiner Bahre ruhig aus dem Leben. Am Ende war die Gruppe so weit reduziert, daß sie nicht mehr als Verband bezeichnet werden konnte. Sie bestand nur noch aus ungefähr zwanzig Mann, die sich mehr oder minder hilflos aufeinander stützten.
    Brands Gesundheitszustand war so schlecht, daß man ihn als hoffnungslosen Fall zurückließ. Jesper blieb treu bei ihm und sah, wie sich der Verband entfernte, weit von zu Hause auf Holsteins Marschen.
    »Ich sollte dich nun nach allen heldenhaften Regeln tapfer auffordern, nach Hause zu gehen und nicht mehr an mich zu denken«, sagte Brand mit schwachem Lächeln. »Denn Vater Klaus und Mutter Rosa warten auf dich. Aber ich möchte selbst so schrecklich gern nach Hause, verstehst du. Das geliebte Gut Lindenallee wiedersehen. Sonst gibt es keinen mehr, der den Hof übernimmt.«
    »Ich gehe nicht ohne dich«, sagte Jesper fest.
    »Danke, mein alter Freund«, sagte Brand. »Aber wie kommen wir weiter? Du mit deinem Fuß und ich mit meinem widerspenstigen Magen.«
    Jesper selbst war nur leicht von der Ruhr angegriffen. Es gehörte schon mehr dazu, den robusten Bauernjungen in die Knie zu zwingen, abgehärtet wie er war, durch alle Arten von Krankheitserregern in Mutter Rosas kleiner Kate. Großzügig betrachtet könnte er jetzt als wieder gesund bezeichnet werden, wenn da nicht die Verletzung des Fußes gewesen wäre.
    »Na, dann versuchen wir es mal«, entschied Brand, zu Tode erschöpft. »Etwas habe ich doch von meinem Bruder Tarjei gelernt, als er und Großvater vor vielen Jahren bei der Ruhr bei uns zu Hause helfen mußten. Alles, wovon er damals sprach, war abkochen und nochmals abkochen, nicht daß ich begriffen hätte wozu, denn man macht doch Sachen kaputt, wenn man sie kocht, nicht wahr? Aber wir waren so brav, daß wir ihnen gehorcht haben. So wie jetzt werden wir jedenfalls nicht durchkommen. Denn im Augenblick kann ich mich nicht von der Stelle rühren. Kannst du nicht hier auf der Wiese ein Feuer machen und dann etwas suchen, worin wir unsere Kleider kochen können?«
    Diese lange Rede hatte fast all seine Kraftreserven verbraucht. Sein Herz schlug wie ein Eisenhammer, und es sauste ihm in den Ohren.
    Jesper schaute sich ratlos um. Kleider kochen? Kleider konnte man doch nicht essen! Und was sollte er… »Du mußt dir etwas einfallen lassen«, flüsterte Brand. »Wenn die Kleider gekocht sind, dann ist das Kranke weg, verstehst du. Das sagte Tarjei damals. Du mußt auch dich und mich mit dem abgekochten Wasser waschen. Und dann muß ich abgekochtes Wasser trinken. Sauberes, abgekochtes Wasser, nicht das, in dem du die Kleider gekocht hast. Und nichts anderes. Verstehst du?« »Nein«, sagte Jesper, der nicht wußte, wie das alles zu bewerkstelligen sein sollte. Doch da war Brand schon eingeschlafen.
    Jesper versuchte, den Freund wieder aus dem Schlaf zu rütteln, weil er sich so schrecklich allein auf der dunkel werdenden Marsch fühlte. Am Ende strengte er seinen Kopf an. Was hatte Brand noch gesagt?
    Tief in der Nacht erwachte Brand für einen Augenblick. Was er erblickte, ließ ihn die Augen aufreißen. Eine groteske Gestalt humpelte splitternackt mit einer Krücke unter dem Arm umher. Ein Feuer wärmte Brands nächtlich kalten Körper so herrlich, denn auch er war vollkommen nackt, und ihre übel mitgenommenen, bunten Uniformen flatterten verdächtig geschrumpft in Büschen und Bäumen.
    »Ach, Brand«, seufzte Jesper hingerissen. »Ich habe schon geglaubt, du bist tot. Guck mal, ich habe alles so gemacht, wie du es gesagt hast.«
    »Wie…?«

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