Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
drei schaffen - und zwar jetzt!
»Wenn du es schaffst, dann schaffen wir es auch«, versprach Kaleb.
»Wenn nur der Gang nicht noch schmaler wird«, murmelte Knut.
Mattias biß die Zähne zusammen. »Ich versuche es!« »Gut!« sagte Kaleb. »Gib uns die ganze Zeit Bescheid, wie du vorankommst!«
Eine Gefahr fürchteten sie mehr als alles andere: den Morgen. Und die Arbeiter, die kommen und entdecken würden, daß der Ofen kalt und die Jungen weg waren. Und sie würden hier festsitzen, bis man sie entweder herunterholte - oder mit einem lodernden Feuer ausräucherte…
Das Herz klopfte Mattias bis zum Hals, als er sich durch die enge Öffnung zwängte.
»Oh!« rief er freudig. »Es ist nur der Einstieg, der so schmal ist. Dann wird es wieder breiter!«
»Gut, dann schaffen wir das auch. Nicht wahr, Knut?« »Na klar!«
Aber die beiden anderen hörten, wie erschöpft er war. In seiner Lunge rasselte und pfiff es unheilvoll.
Mattias, der inzwischen besseren Halt gefunden hatte, zog und zerrte an dem Tragetuch, und Kaleb half mit, indem er Knuts Kleidung zusammenraffte, damit sie ihn nicht noch zusätzlich behinderte. Aber als Knut erst seine Schultern hindurchgezwängt hatte, ging der Rest ziemlich einfach. Er schürfte sich Hüften und Schultern auf, aber er würde hinterher ausruhen können, und das war die Hauptsache.
Schwieriger war es bei Kaleb. Aber nachdem er jeden einzelnen Kleiderfetzen ausgezogen und sich dann durch die Öffnung gezwängt hatte - mit der Gefahr, für ewig dort festzustecken -, waren sie alle drei glücklich durch. Sie warteten, bis Kaleb sich wieder angezogen hatte. »Jetzt gibt es keinen Weg zurück«, sagte Knut. »Nein«, sagte Kaleb still. Mattias sah noch oben. »Oh!« sagte er. »Was ist?«
»Ich sehe einen schwachen Lichtschein! Schräg über uns. Es ist immer noch Nacht.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet! Wir werden den Tag sehen, Jungs! Oder die Nacht, natürlich.« »Aber…« »Was denn?« »Ich weiß nicht. Das Licht sieht so winzig aus. Und ich glaube, da oben liegt etwas über der Öffnung. »Was meinst du?« »Ein Netz oder sowas. Ein Gitter.«
»Damit niemand hineinfällt, das kann man sich doch denken. Wollen wir weiter?«
»Ja, natürlich! Wo wir schon so weit gekommen sind… « Es ging jetzt viel leichter, nachdem alle drei es in den schrägen Rauchabzug geschafft hatten. Sehr groß war die Neigung des Schachtes nicht, aber es reichte, daß alle sich ein weniger sicherer fühlten. Und es müßte schon mit dem Teufel zugehen, um nach einem Fehltritt durch den engen Einstieg zurückzufallen, jedenfalls was die beiden größeren Jungen betraf.
Aber jetzt sahen sie alle, daß die Lichtöffnung vor ihnen schrecklich eng war. Ein kleines Rechteck, durch das nicht einmal Mattias kriechen konnte!
Langsam wurden sie wirklich nervös. Die Enttäuschung brannte ihnen in der Brust.
Aber dann entdeckten sie die Ursache. Erneut machte der Kamin eine Biegung, so daß er das letzte Stück wieder senkrecht nach oben führte. Sie hatten bisher nur die halbe Öffnung gesehen.
Doch Mattias hatte recht. Es lag tatsächlich ein grobes Gitter über dem Schacht. Er versuchte daran zu rütteln.
»Es sitzt fest«, sagte er mit kläglicher Stimme. Die Spalten waren viel zu schmal, um hindurchzukommen, ohne das Gitter zu entfernen. Die beiden, die unter ihm warteten, spürten den kalten Nachtwind, der durch den Kamin fegte. Und sie lauschten den unheilvollen Windstößen, die klagend mit den Gitterstäben spielten und sich heulend in dem Schlund unter ihnen verloren. Kaleb schauderte. »Versuch es«, sagte er zu Mattias. Mattias rüttelte mit aller Kraft.
»Nein, ich schaffe es nicht. Aber ich glaube, daß es eigentlich gehen müßte. Vielleicht schaffst du es, Kaleb?« Kaleb wollte es gerne versuchen, aber wie sollten sie in dem engen Schacht die Plätze tauschen, mit dem hilflosen, völlig erschöpften Knut zwischen sich? »Wir müssen zurück«, entschied Kaleb.
»Den ganzen Weg?« stöhnten die beiden anderen entsetzt.
»Nein, nein. Nur bis dahin, wo die Schräge anfing. Da war der Gang breit genug, da können wir uns besser bewegen.
Es gab keine andere Möglichkeit. Es war bitter, das matte Nachtlicht und die frische Luft hinter sich zu lassen, die erste seit Jahren, aber ohne weitere Worte krochen sie zurück.
Tatsächlich war der Weg nach unten viel schwieriger. Die Gefahr abzurutschen schien viel größer, vor allem weil Knut inzwischen offenbar beinahe bewußtlos war.
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