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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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ohne daß jemand sie sah, und schlichen sich durch das Dickicht am Flußufer bis zu der steinernen Brücke.
    Kaleb wagte sich hinauf, um die Möglichkeiten auszukundschaften, während die beiden anderen unten am Wasser saßen und es in der Morgendämmerung plätschern, schäumen und dröhnen hörten. Rasch kam er wieder zu ihnen herunter.
    »Es kommt ein Bauer mit einem Wagen von der anderen Seite. Er will sicher zum Markt nach Kongsberg. Gleich ist er auf der Brücke. Rührt euch nicht!«
    Sie duckten sich unter das Gestrüpp. Mattias roch den kräftigen Duft feuchter Erde. Eigentlich gab es so zeitig im Frühjahr noch nicht viele Gerüche, aber für ihn war die Luft voll davon. Er roch so viel mehr als all jene, die die Düfte tagtäglich in der Nase hatten. Alles war neu und frisch für ihn und die Kameraden.
    Kurz darauf hörten sie das Klappern und Knirschen des Wagens und die Huftritte des Pferdes auf der Brücke. Nach einer Weile wagten sie sich hinüber, halb laufend mit Knut zwischen sich.
    »Der Fluß führt viel Wasser«, sagte Kaleb, als sie mitten auf der Brücke waren. »Es ist Frühling in Norwegen!« Da lachten sie alle drei voller Glück.
    Sie setzten ihren Weg über die Bergwiesen auf der Ostseite des Flusses fort. Kaleb trieb sie voran, er wollte weit weg von Kongsberg, wo alle Menschen mehr oder weniger mit den Bergwerken zu tun hatten. Sie wären sicherlich in der Stadt auf Hilfe und erschrockenes Verständnis gestoßen, aber sie wußten nicht, an wen sie sich gefahrlos hätten wenden können. Deshalb mieden sie die Stadt. Knut blieb stehen.
    »Ich fühle… ich fühle etwas Warmes auf meinem Gesicht! Und es ist so hell! So hell! Ist das… «
    »Die Sonne. Das Licht, der Tag. Der freie, offene Himmel. Ja, die Sonne geht auf, Knut«, sagte Kaleb, und man konnte seiner Stimme anmerken, wie ergriffen er war. Das Licht stach ihm und Mattias in die ungewohnten Augen.
    »Die Sonne? Wirklich die Sonne? Ist das wahr?« Knut sank nieder auf die Knie, und die anderen folgten seinem Beispiel. So knieten sie alle drei der Sonne zugewandt, Mattias und Knut mit gefalteten Händen, als wollten sie beten.
    Alle drei ließen sie ihren Tränen freien Lauf, und niemand von ihnen schämte sich dessen.

5. KAPITEL
    Als sie weitergingen, hoch oben in den Bergwäldern, wo an den Nordhängen noch Schnee lag, sagte Kaleb: »Wir waren lange da unten.«
    »Ja«, sagte Knut. »Mattias fast zwei Jahre. Du, Kaleb, vier Jahre - und ich fünf lange, teuflische Jahre. Kein anderer hat so lange durchgehalten wie wir. Ich habe viele kleine Jungen kommen und sterben sehen. Bisher ist niemals einer rausgekommen. Keiner außer uns.«
    Da lachten sie wieder, aber in ihrem Lachen lag die Trau er über alle jene, die das Tageslicht nie wiedergesehen hatten. »Aber wo sind wir?« fragte Mattias.
    Sie hielten an und sahen sich um. Was die Jungen nicht wußten: Sie waren zu weit nördlich und würden nach Sigdal kommen, falls sie diese Richtung beibehielten. Keiner von ihnen hatte eine Ahnung, in welchem geographischen Verhältnis Kongsberg und Christiania zueinander lagen.
    Aber Sigdal und andere Siedlungen lagen alle zu weit entfernt, als daß sie sie hätten sehen können. Dafür sahen sie etwas anderes.
    Kaleb sagte: »Siehst du das Hausdach hoch oben auf der Alm vor uns?« »Ja.«
    »Ich glaube, das ist eine Sennhütte. Wir wollen versuchen, dorthin zu gehen. Schaffst du das, Knut?« »Jetzt schaffe ich alles.«
    Aber die beiden anderen hatten ihre Bedenken. Die Pausen mehrten sich, in denen er anhalten und husten mußte, und Mattias mußte dauernd Knuts Verbände richten. Seine Füße bluteten. Aber er wollte nicht aufgeben.
    Mattias hatte das Leben in der Grube erstaunlich gut ausgehalten. Natürlich hatte er Narben und Wunden überall, und natürlich war er einige Male krank gewesen, einmal mit einer ernsten Lungenentzündung. Aber das Blut des Eisvolks ließ sich nicht verleugnen. Er hatte es von seinem Vater Tarald geerbt, Tarald von seiner Mutter Liv, und Liv hatte es von ihrem Vater, der der Wertvollste von ihnen allen gewesen war: Tengel der Gute. Was er seinen Nachkommen an Stärke, Zähigkeit, Mut und Menschlichkeit mit auf den Lebensweg gegeben hatte, war unschätzbar. Auch Mattias' eingeheiratete Ahnväter und Ahnmütter waren vollwertige Menschen gewesen. So wie seine Mutter Yrja. Wie sein Großvater Dag von Meiden und dessen Mutter Charlotte von Meiden. Und nicht zuletzt wie Silje, die Mutter seiner Großmutter! War es

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