Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
siehst du was? Licht?« »Nein. Gib mir eine Fackel!« Kaleb reichte sie ihm.
»Soweit ich sehen kann, ist er breit genug. Aber ich kann das Ende nicht sehen. Wir werden auf jeden Fall tüchtig schwarz«, sagte er mit einem kleinen Lachen.
»Und wenn schon«, sagte Kaleb leichthin. »Also was ist, sollen wir?«
»Ja«, kam es von den beiden anderen wie aus einem Mund.
»Wir wissen nicht, ob man auf diese Weise überhaupt nach draußen kommt«, sagte Kaleb. »Es könnte plötzlich zu eng werden. Oder zu breit, das wäre genauso schlecht. Oder etwas versperrt uns den Weg. Oder es liegt etwas Schweres auf der Öffnung.«
»Jaja, oder wir fallen runter«, sagte Mattias. »Hast du noch mehr auf Lager?«
»Nein«, grinste Kaleb. »Bist du bereit, Knut?« »Und ob!«
Nachdem Mattias sich mit einiger Mühe in die Esse hochgezogen hatte und den Griff des Hängekorbs sicher in der Hand hielt, und nachdem Knut sich ein Stück mit den Armen hochgehievt hatte, so daß Kaleb in den Ofen kriechen konnte, begannen sie ihren mühevollen Aufstieg durch den Schornstein. Sie waren sich erst nicht ganz sicher gewesen, ob Kaleb besser als Vordermann gehen und Knut hochziehen sollte, aber dann hatten sie beschlossen, daß er als der Stärkere von unten mehr ausrichten konnte. So konnte er Knut Hochdrücken und ihm das Klettern erleichtern. Für die beiden anderen war es auch ein sichereres Gefühl, nicht als letzte zu kommen, sich nicht der Gefahr auszusetzen, zurückgelassen zu werden. »Wie sieht es aus, Mattias?« fragte Kaleb.
»Bis jetzt ganz prima«, keuchte Mattias atemlos, aber guten Mutes.
Sie hatten keine Fackel mitgenommen, denn die hätte den Ruß an den Schornsteinwänden entzünden können. Es war auch so schon warm genug, und der Gestank des Rauches biß in ihren Lungen, obwohl das Feuer schon lange aus war.
Mattias stemmte Hände und Füße gegen die rauhen, immer noch warmen Schornsteinwände und schob und zog sich langsam aufwärts. Wie Knut es schaffte, nur mit den Händen, konnte er nicht begreifen. Er fragte ihn. »Ich gebrauche Rücken und Hintern«, lachte Knut. »Und Kaleb ist ja auch noch da.«
Mattias Griff um den Henkel des Tragekorbes war nicht von großem Nutzen, das merkte er selbst. Die Last, die auf Kaleb ruhte, mußte enorm sein.
So arbeiteten sie sich still aufwärts. Machten Pausen, holten Atem, setzten erneut an… Knut begann zu husten. »Pause!« rief Kaleb.
Es wurde eine lange Rast für sie, eingeklemmt auf halbem Weg ins Unbekannte, bis Knut abgehustet hatte. Dann machten sie weiter.
Nach einer Weile sagte Kaleb: »Also jetzt gehen wir nicht mehr zurück!«
»Auf gar keinen Fall!« sagte Knut. »Lieber sterbe ich hier hängenden Leibes!« »Wie sieht es aus, Mattias?«
»Es kommt mir so vor, als ob der Kamin sich verändert. Ja, tatsächlich! Jetzt kommt's drauf an!« »Was für eine Veränderung?«
»Er neigt sich etwas zur Seite. Deshalb haben wir wohl auch kein Licht gesehen.«
»Bleibt er so breit?«
»Das weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall wird das Klettern leichter sein, wenn es nicht mehr senkrecht nach oben geht«, sagte Mattias, und seine Stimme hallte seltsam wider in dem Schornstein.
»Wenn es nur so wäre«, keuchte Knut. »Denn jetzt bin ich… zu Tode erschöpft.«
»Dann ruhen wir uns aus«, entschied Kaleb.
Mattias saß still am Eingang des schrägen Rauchabzugs und stützte sich mit dem Rücken ab, und er spürte ein warmes Gefühl der Zuneigung zu den beiden Jungen unter ihm. »Los, weiter«, sagte Kaleb.
Aber als Mattias in den schrägen Rauchabzug hineinkriechen wollte, stieß er einen jammernden Laut aus. »Was ist? Hast du dich verletzt?« fragte Knut. »Nein. Es ist nur so eng! Das schaffen wir nie!« Die anderen stöhnten enttäuscht auf. - »Bist du sicher?« rief Kaleb.
»Ich selbst würde wohl durchkommen«, antwortete Matthias. »Aber was sollte ich da draußen ohne euch?« Typisch Matthias, dachten die beiden und lächelten, aber es war ein bitteres Lächeln.
Alle drei wußten, was passieren würde, falls einer von ihnen es nach draußen schaffte und die anderen nicht. Selbst wenn Mattias so schnell er konnte heim nach Grästensholm laufen und sein Großvater alles daransetzen würde, das Verbrechen gegen die Kinder aufzudecken, wäre es doch zu spät. Wenn die Untersuchungskommission einträfe, würden weder Kaleb noch Knut in der Grube sein. Jedenfalls nicht lebend. Dafür würden Hauber und Nermarken schon sorgen! Nein, sie mußten es alle
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