Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
gewesen, als sein Schulbesuch so jählings abgebrochen wurde.
Über her Besitser. Enschuldigunk das wir den hallben Schinken aufgegessen ham und Kaleb das Meelgenomm hat aber wir mußten das tun weiel Knut am Sterben wa. Unt das tat er Draussen in der Sonne. Wir ham Knut auf der Lichtunk im Walt begraben bitte könnt Ihr so nett sein und ein pa Blum hinlegen wenn weche blün? Filleicht kannja ein Paßdohrein Gebeetsprächen. Wir wolln gerne bezaalen für das was wir gegessen ham das brinkt mein Fater in Ornung, die Addresse ist Gut Grästensholm. Amt Grästensholm Betsirk Akershus. Filen dank fir Alles und Enschuldigunk nochmal.
»Geht das so?« fragte er, als er den Brief vorgelesen hatte. »Ganz hervorragend«, sagte Kaleb.
Sie räumten auf und machten ordentlich sauber und verschlossen die Tür wieder, so gut es ging.
»Ich weiß nicht, wo Grästensholm liegt«, sagte Kaleb. »Aber Akershus ist in der Nähe von Oslo, oder nicht?« »Von Christiania, stimmt.«
»Ach ja, Christiania heißt das ja jetzt.« Kaleb seufzte. »Wir müssen uns wohl einfach durchfragen. Ich glaube, wir sollten so weitergehen wie bisher. Dann können wir vielleicht jemanden fragen. Irgendwann treffen wir bestimmt einen Menschen.«
»Glaubst du nicht, daß Hauber oder Nermarken noch hinter uns her sind?«
»Nicht so weit von der Grube entfernt. Aber sie haben bestimmt ganz schön Magensausen.«
Mattias nickte. Dieses Mal sagte er nicht »die Ärmsten«. Nicht bei Hauber und Nermarken. Was sie Knut angetan hatten, dafür gab es keine Entschuldigung.
Lange Zeit gingen sie durch die Wildnis, ohne ein Haus zu sehen. Mattias war nahe dran, allen Mut zu verlieren. Es war, als hindere eine böse Macht ihn daran, nach Hause zu kommen. Seit dem Tag, als er in dem kleinen Prahm aufgewacht war, ganz allein und nur umgeben von Wasser und Ungewißheit, war er nur auf Widerstände gestoßen. Näher als jetzt war er seinem Zuhause nie gekommen - und nun liefen sie in die Irre! Vielleicht waren sie auf dem Weg fort von Grästensholm? Vielleicht waren sie auf dem Weg zurück zur Grube und würden Hauber schon hinter dem nächsten Bergkamm in die Arme laufen?
Das war ein Gedanke, der die Panik in heftigen Wellen durch seinen Körper schwappen ließ.
Des Nachts krochen sie irgendwo im Wald in ein schützendes Versteck und erwachten am Morgen steifgefroren vor Kälte. Die Sonne schien jetzt nicht mehr jeden Tag. Einmal kamen sie in ein Schneetreiben, das den Boden mit einer dünnen weißen Schicht bedeckte, und die seltsame, beinahe gellende Stille und Leere, die mit dem Schnee kommt, lag über den Wäldern. Aber die Schneedecke schmolz im Laufe des Tages dahin.
Sie wußten nicht, daß sie einem breiten Bergkamm folgten. Das kostete sie mehrere Tage.
Dann, endlich, kamen sie auf ihrem Streifzug durch ein unbekanntes Gebiet in ein Tal. Und dort sahen sie Häuser.
Zu diesem Zeitpunkt war das Brot, das Kaleb aus dem Mehl und dem Wasser in der Almhütte gebacken hatte, längst aufgegessen. Sie waren so ausgehungert, daß sie ihre Schuhe hätten essen können - wenn sie welche gehabt hätten. Aber inzwischen hatten sie nur noch Lappen um die Füße.
Sie gingen zu dem Haus, das ihnen am nächsten war, und baten um eine Tasse Milch oder sonst etwas Eßbares, und sie fragten im selben Atemzug nach Grästensholm. Die Bäuerin, die sonst ganz gewiß keinem herumstreifenden Bettler auch nur einen Schluck Wasser gab, blickte ihnen in die Augen, und sie sah sich Mattias etwas genauer an und lauschte auf seine immer noch wohlklingende Sprache - auch wenn die sicherlich ein klein wenig von der schlichteren Ausdrucksweise der Arbeiter geprägt worden war.
Und ohne ein Wort zu verlieren, holte sie Milch und Grütze für die beiden und deckte den Tisch auf. Als sie sich sattgegessen hatten, wollte sie wissen, was jemanden wie Mattias draußen auf die Landstraße verschlagen hatte. Kaleb antwortete an seiner Stelle.
»Er ist durch ein Unglück von seiner Familie getrennt worden. Jetzt versuchen wir, sein Zuhause wiederzufinden. Kennt Ihr diesen Namen, gute Frau?«
Nein, die Bäuerin hatte noch nie von Grästensholm gehört.
»Aber wenn ihr in Richtung Christiania wollt…« »Ja, dahin wollen wir«, sagte Mattias ganz eifrig. »Dann müßt ihr dieses Tal weiter hinab gehen. Ihr seid viel zu weit nordwestlich. Dies hier ist Fla im Hallingdal. Und ihr seid über den Westkamm gekommen, sagt ihr? Dann dankt dem Herrgott, daß ihr keinem Bären begegnet seid! Aber
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