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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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geschickt.«
    Mattias war während ihrer Jammertirade aufgestanden und ging auf die Kammer zu. Die Bäuerin schrie ihm hinterher :
    »Glaubt der da bloß nix, die lügt, wenn sie nur den Mund aufmacht!«
    Ein schmächtiges junges Mädchen lag in dem Bett - oder sollte man besser sagen: in dem Lumpenhaufen? Ein paar riesige Augen blickten ihn unglücklich an. Sie sagte kein Wort.
    Sie war so klein und mager, daß er ihr Alter nicht bestimmen konnte. Ihr Haar war dünn und struppig, von einer unbestimmbaren Farbe, und das Gesicht schien nur aus Augen zu bestehen. Wie ein kleines Kalb, das gerade eben in eine Welt hineingeboren war, von der es nichts verstand. »Bist du Eli?« fragte er. »Ja«, flüsterte sie atemlos. »Hast du irgendwo Schmerzen?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. Mattias sah auf ihre Hände. Sie waren rot und aufgesprungen von Arbeit und Kälte und so schwielig wie eine Männerfaust. Sie schien einfach unterernährt zu sein. »Komm«, sagte Mattias.
    Er hob sie mit beiden Armen hoch. Sie war leicht wie ein Vogelküken. Da sie nur ein Nachthemd trug, nahm er auch ihre einfachen Kleider mit.
    »Was macht der Dokter denn da?« kreischte die Alte, die sich vergessen hatte und nun in voller Kleidung im Bett saß.
    »Ich nehme das Mädchen mit mir, sie soll keine Stunde länger hier bleiben«, sagte Mattias milde. Dann fügte er mit freundlichbesorgter Stimme hinzu: »Und Ihr steht jetzt besser auf. Es schickt sich nicht für gesunde Menschen, sich hinzulegen und zu faulenzen.«
    Dann ging er mit Eli auf den Armen hinaus, setzte sie in den Schlitten und packte sie warm ein.
    Als nächstes schaute er nochmal bei ihrem Großvater herein.
    »Ich nehme Eli mit nach Grästensholm«, sagte er. »Dort kann sie bleiben, bis sie wieder etwas zu Kräften gekommen ist. Schickt sie nur nicht wieder auf den Nygärd-Hof, sie hat dort viel zu schwer arbeiten müssen!« »Gott segne dich«, sagte der Alte wieder.

10. KAPITEL
    Eli wurde in ein großes Bett mit weißen Laken und einer leichten Daunendecke gelegt. Ihr schmächtiger Körper versank beinahe in all der Pracht. Ihre Augen wurden immer größer.
    Aber vorher hatte Liv sie gebadet und das dünne Haar gründlich mit Seife gewaschen, damit sie »allein im Bett liegen« sollte, wie Liv es ausdrückte. Dann hatte sie einen großen Becher Milch und eine Schüssel Fleischbrühe bekommen.
    Sie lag eine Weile da und sah hinauf zu der weißen Zimmerdecke. Dann schlief sie mit einem kleinen Seufzer ein - einem Seufzer der Erleichterung, aber auch ein klein wenig der Angst. Sie hatte aufgehört, an Märchen zu glauben.
    Liv stand an ihrem Bett und betrachtete sie. Sie spürte, wie sich ihre Brust wieder mit einer tiefen Wärme füllte, nach all den Jahren frostiger Einsamkeit. Denn trotz allem war sie einsam gewesen, seit sie Dag verloren hatte. Kein Kind und kein Enkelkind kann den Lebenspartner ersetzen.
    Aber jetzt hatte sie etwas anderes Wertvolles erhalten: Eine Aufgabe, die zu erfüllen war.
    Sie rief Mattias und Kaleb zu sich. Ihre Augen funkelten vor Eifer.
    »Was meint ihr, Kinder? Soll Eli der Anfang sein von dem, worüber wir vor langer Zeit einmal gesprochen haben? Daß wir einen Teil von Grästensholm zu einem Heim und einer Schule für solche unglücklichen Kinder umbauen?«
    »Ja, Großmutter, das laßt uns tun«, sagte Mattias ebenso eifrig. »Wir arbeiten ja alle drei für dieselbe Sache.« Kaleb hatte nicht den gleichen starken Glauben an das Projekt. Seine Stimme war hart und abwehrend, als er erwiderte: »Das führt zu nichts. Sie gehen ja doch nur einer Zukunft in Armut und Elend entgegen.« »Jetzt hörst du dich an wie ein richtiger Miesmacher, Kaleb«, sagte Liv. »Wir können es doch wenigstens versuchen! Oder willst du, daß wir Eli auch vor die Tür setzen?«
    »Nein, natürlich nicht. Wie alt ist das Mädchen eigentlich?«
    Liv dachte nach. »Sie wurde wohl im selben Jahr geboren wie… laß mich überlegen… Ja, sie müßte jetzt sieben sein.« »Sieben Jahre?« sagte Mattias beklommen. »Und wir können nur raten, wie schwer die Nygärd-Bäuerin sie hat schuften lassen.«
    Kaleb war nachdenklich geworden. »Meintet Ihr das wirklich ernst, was Ihr über ein Heim hier gesagt habt, Frau Baronin?« »Das meine ich seit langem ernst.« »Und wie viele… ?«
    »Nicht zu viele, sonst ist es ja kein richtiges Zuhause für sie. Für den Anfang habe ich zwei kleinere Zimmer, die ich entbehren kann. Eines für Jungen, das andere für Mädchen. Zwei

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