Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Sofa saßen! zwei alte Drachen und tratschten.
»Ja, ja, die junge Jessica natürlich«, sagte die eine. »Siel ist mal wieder ausgerissen, habe ich gehört.«
»Zum dritten Mal schon«, antwortete die andere. »Für das Mädchen wird alles getan, und das ist der Dank. Denen ist es aber auch schrecklich peinlich. Und man weiß ja, wie die Leute reden.«
Das müßt ihr gerade sagen, dachte Tancred.
Die erste Klatschtante sagte: »Das ist diese unmögliche Molly, die sie auf solche Gedanken bringt. Dieses Dienstmädchen hat wirklich viel angerichtet. Nur der Allmächtige weiß, was diese Flittchen anstellen, wenn sie alleine unterwegs sind!«
Tancreds Herz schlug bei diesen Worten schneller, und er tat so, als sei er stehengeblieben, um die Schnallen an seinen Schuhen nachzuziehen. Er konnte es sich eben noch verkneifen, von Molly zu erzählen, aber er wollte diesen alten Schachteln nicht noch mehr Stoff zum Tratschen geben. Und Molly hatte ihn schließlich gebeten zu schweigen.
Aber wo war nur ihre Herrin, die junge Jessica? Vielleicht irgendwo tief im Wald.
Danach hatte Tancred das Interesse am ganzen Fest verloren. Er wartete nur ungeduldig darauf, daß die Gäste gehen würden.
Nur hatten die es gar nicht so eilig. In einem stillen Augenblick gelang es Tancred endlich, seine Tante im Anrichtezimmer unter vier Augen zu sprechen. »Tante Ursula, wer ist Jessica?«
Die Tante versuchte, den Festtrubel beiseite zu schieben, um sich auf seine Frage zu konzentrieren.
»Jessica? Welche Jessica? Oh ja, das hoffnungslose Mädchen. Die ist nichts für dich.«
»Das habe ich auch nicht gedacht. Aber warum ist sie ausgerissen?«
»Reine Abenteuerlust. Sie haben sie mit übernommen, als sie vor zwei, drei Jahre das Gut von ihren Verwandten übernahmen. Es gehörte vorher ihren Eltern, und als die an Pocken erkrankten, haben sie das Gut den Verwandten unter der Bedingung überlassen, daß man sich solange um Jessica Cross kümmert, bis sie mündig ist und alleine zurechtkommt. Aber das Mädchen ist einfach unmöglich. Wird von dieser Molly richtig angefeuert. Die hat dort schon zu Lebzeiten von Jessicas Eltern gearbeitet und erzählt dem Mädchen jetzt die wildesten Schauermärchen. Aber in Jessicas Familie gibt es außerdem schlechte Erbanlagen«, sagte die Tante mit gesenkter Stimme. »Ich könnte dir Dinge erzählen…«
Für Tancred wurde es ein bißchen zuviel mit »sie« und »die«. Er fand sich in dem wirren Gerede seiner Tante nicht zurecht. »Aber wo wohnt Jessica?«
»Tancred, mußt du mich das alles jetzt fragen, wo ich doch soviel wichtigere Dinge im Kopf habe? Hast du die Soßenkelle gesehen? Das Küchenmädchen vermißt sie seit dem Mittagessen. Wie findest du übrigens Stella?« Wachspuppe, dachte er. Vorsichtig sagte er. »Ich glaube, sie hat keinen Sinn für Humor. Meine spitzfindigen Scherze hat sie nicht verstanden, aber sie lacht aus vollem Halse, wenn der arme Diener über die Schleppe der Baronin fällt.«
»Ja, das war aber auch besonders ungeschickt von ihm«, murmelte Ursula, die genauso viel Humor besaß wie ein Holzstock. »Nein, jetzt habe ich wirklich keine Zeit mehr. Warum interessiert du dich eigentlich für Jessica Cross?« Weil sie mich zu Molly führen kann, dachte Tancred und antwortete schulterzuckend: »Aus keinem besonderen Grund. Es hört sich alles sehr seltsam an, finde ich. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob sie eine Freundin von Stella ist. Hoffentlich nicht.«
Die Tante mißverstand ihn völlig und lächelte. »Das war nett von dir. Geh' jetzt zu Stella …«
»Ach Tante, ich habe schreckliche Kopfschmerzen, und es wäre schön, wenn ich mich zurückziehen dürfte. Seit meiner Ankunft heute morgen habe ich noch keine ruhige Minute gehabt.«
»Aber natürlich, wie gedankenlos von mir. Geh und leg dich hin, dann machen wir morgen einen Besuch auf Gut Askinge, nicht wahr?«
»Sehr gerne, Tante«, sagte Tancred scheinheilig.
2. KAPITEL
Aber Tancred ging nicht ins Bett.
Er machte sich Sorgen um die kleine Molly, »das unmögliche Mädchen«. Jetzt, wo sie in der Nähe war, mußte er aufpassen. Später würde sie verschwinden, und dann konnte er ihr nicht mehr helfen.
Bis jetzt hatte er noch von keinen Gefahren gehört, die ihr drohen konnten, aber man konnte ja nie wissen. Während die Gäste in den Salons noch weiter feierten, kletterte er aus dem Fenster und lief in Richtung Wald. Ein Pferd wollte er nicht nehmen, denn allein konnte er sich freier bewegen.
Es war
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