Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
- und Hilde wagte nicht zu hoffen. Sie zitterte vor Angst, enttäuscht zu werden, sie konnte nicht glauben, daß jemand sich etwas aus ihr machte, aber konnte es ein Zeichen sein? Daß er so oft kam? Gabriella neckte ihn und wunderte sich sehr vielsagend darüber, was ihn wohl locken mochte. Dann lachte er ein wenig irritiert und wurde tatsächlich ein bißchen rot.
Eines Tages ging er zu Hilde, die im Haus arbeitete, und sagte leise: »Der Kirchendiener schwatzt dummes Zeug draußen im Dorf. Daß ein Werwolf oben in der Scheune es auf dich abgesehen haben soll.«
Das Wort so direkt und unversehens zu hören, versetzte ihr einen brutalen Schock. Die ganze Zeit auf Elistrand hatte sie versucht, die Erinnerung daran zu verdrängen. Sie blickte hinauf in sein Gesicht, dem ihren so nah, daß ihr schwindelig wurde.
»Ich weiß nicht, was das war, Herr Andreas. Aber ich habe ein Haarbüschel mitgenommen, das sich an der Stallwand festgesetzt hatte. Soll ich es holen?« »Natürlich! Auf der Stelle!«
Sie lief so schnell sie konnte auf ihr Zimmer. Durfte ihn nicht warten lassen. Dann ging er vielleicht wieder fort. Er unterhielt sich mit Eli, als sie zurückkam. Wie freundlich er zu allen war! Hilde streckte ihm eifrig das graue, struppige Fellbüschel entgegen. »Kaleb!« rief er.
Die beiden Männer gingen hinüber zum Fenster, um besser sehen zu können. Eli und Hilde blieben stehen. Eli lächelte sie mit strahlenden Augen an, als wären sie Verschworene. Wußte Eli, daß es Andreas war, in den Hilde sich verliebt hatte? Bei ihrem munteren, geheimnisvollen Blick sah es beinahe so aus. Nein, das konnte nicht sein. Die Männer kamen zurück.
»Wie ich höre, ist Gabriella sehr zufrieden mit dir, Hilde«, sagte Andreas mit einem Lächeln. »Du bist eine enorme Entlastung für sie.« »Danke«, knickste sie. »Aber was… ?«
»Für mich und Eli auch«, sagte Kaleb schnell. »Du kannst gut mit Kindern umgehen.«
Andreas sagte: »Am Anfang hattest du ein bißchen Angst vor ihnen, stimmt's?«
»Bevor ich sie kennengelernt habe, ja. Ich hatte keine sehr guten Erfahrungen mit Kindern gemacht. Aber sie sind lieb.«
»Es sind ein paar kleine Biester, um bei der Wahrheit zu bleiben«, sagte Kaleb. »Aber mir scheint, so langsam kann man menschliche Züge bei ihnen erahnen. Als sie hierher kamen, hatten sie gelernt, alle Erwachsenen für böse zu halten, und sie glaubten, daß man stehlen und betrügen muß, wenn man zurechtkommen will. Der kleine Jonas hatte sogar ein Messer, mit dem er jeden abstechen wollte, der ihm widersprach.«
»Waren sie wirklich so schwierig?« sagte Hilde erstaunt. »Dann habt Ihr wahrhaftig gute Arbeit geleistet.« »Das finden wir selbst auch. Und seitdem du hier bist, sind aus ihnen beinahe kleine Engel geworden. Nun ja, Engel mit Pferdefuß, möchte ich behaupten.« Hilde errötete vor Glück. Mit Gabriella hatte sie nicht sehr viel zu tun, die Markgräfin kümmerte sich um die geistige Erziehung der Kinder. Aber Hilde mochte die ranke, zierliche Dame mit dem feingeschnittenen Gesicht und den scheuen Gesten sehr gern. Kaleb leitete den Hofbetrieb und hatte nicht mehr viel mit den Kindern zu tun, aber er blieb ihre Vaterfigur, und sie bettelten so lange, bis sie die Zügel halten durften, wenn er mit den Pferden vorbeikam.
»Na, nun muß ich aber gehen«, sagte Andreas. »Vater grollt schon ein wenig mit mir, weil ich so viel Zeit auf die vier toten Frauen verschwende.«
Hilde bekam ein schrecklich schlechtes Gewissen. Sie hatte nicht gerade sehr häufig an die Toten gedacht. Aber in der letzten Zeit war so viel passiert, daß ihr Kopf gar nicht alles auf einmal verarbeiten konnte.
»Ja, was… wie geht es voran?« stotterte sie. »Habt Ihr herausgefunden, wer sie waren?«
»Nein. Der Hinweis auf Gustavs Lise hat sich erledigt. Sie hat sich inzwischen per Brief gemeldet, hat eine Arbeit im Ostfold gefunden.« »Also sind sie völlig unbekannt?«
»Ganz und gar. Und dieser abergläubische Vogt hat ja alle Spuren zunichte gemacht, als er sie verbrennen ließ!«
Er schien voller Ungeduld, endlich von hier fortzukommen, deshalb wagte sie nicht, ihn noch länger festzuhalten. Bekümmert sah sie zu, wie er Elistrand verließ.
Aber sie hatten das Fellbüschel nicht erwähnt. Sie hatten es vermieden, darüber zu sprechen, das hatte sie wohl bemerkt. Sie hatten die ganze Zeit angestrengt über andere Dinge gesprochen.
Also war es tatsächlich Wolfsfell! Sie hatte gehofft, daß es vielleicht
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