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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Splitter ragte aus einem der Balken. Vorsichtig pulte er etwas heraus, das sich unter dem Splitter festgesetzt hatte.
    Mit einem skeptischen Blick hielt er ein Büschel Tierhaare hoch.
    »Es ist so dunkel hier drin«, murmelte er. »Aber ich glaube, das hier sieht ganz so aus, als ob Isegrim… Aber so hoch oben an der Wand, mein Gott! Noch nie habe ich einen so großgewachsenen… «
    Er starrte erschrocken zu ihr hoch. »Im Dorf sprechen sie von… von einem… Das Fräulein ist doch wohl nicht in der Hoffnung?«
    »In der Hoffnung? Bewahre, nein, nein«, sagte sie tief gekränkt und empört über seinen Verdacht.
    »Nein. Entschuldigung vielmals! Aber das Fräulein weiß ja, man sagt, daß sie hinter solchen Frauenzimmern hinterher sind. Jesus Christus«, murmelte er, ließ das Fellbüschel los, als wäre es glühend, und zog ein Messer hervor.
    »Kalter Stahl«, flüsterte er und stach das Messer in das Fellbüschel. Dann warf er einen Blick zur Stalltür. »Kein Wunder, daß sie jetzt zu ist! Solche Ungeheuer öffnen und schließen Türen selbst, das tun sie. Kommt, laßt uns sehen, daß wir hier fertig werden!«
    Aber Hilde war mutiger, als sie selbst gedacht hätte. Sie nahm das Fellbüschel auf und steckte es in die Rocktasche, ohne daß er es bemerkte.
    Beinahe respektlos schnell trug er den Sarg mit ihrer Hilfe die Scheunenbrücke hinauf.
    »Wir werden wohl nicht viele Träger für die Beerdigung finden«, brummte er. »Werden ihn wohl selbst tragen müssen, das Fräulein und ich.«
    Hilde nickte nur. Sie erwartete keine Hilfe von den Dorfbewohnern. Ganz im Gegenteil. Sie fürchtete, daß man ihr den ersten Besuch drunten im Dorf so schwer wie möglich machen würde.
    Sie wandte das Gesicht fort, als er die Leiche des Vaters abdeckte, aber sie hatte doch bemerkt, daß der Tote sehr feierlich in ein langes, weißes Hemd gekleidet war, die Hände über der Brust gefaltet.
    Sie mußte kräftig mit anpacken, um den Körper in den schlampig zusammengezimmerten Sarg zu bekommen, aber irgendwie gelang es ihr, dem Anblick seines Gesichtes zu entgehen. Als der Sargdeckel auf seinem Platz war, atmete sie unmerklich auf.
    Ohne weitere Zeremonie wurde Joel Nachtmann nach unten getragen und auf den Wagen verfrachtet. Dann begann seine letzte Fahrt - gefolgt von schmalen Augen, die sich in der Tiefe des Waldes verbargen. Mattias stand auf Grästensholm am Fenster und blickte hinaus in den regengrauen Nachmittag. Er beobachtete etwas unten auf dem Weg.
    »Nein, das geht doch nicht!«, brach es aus ihm heraus. »Was denn, mein Lieber?« fragte Yrja zerstreut. »Schaut nur, Mutter!«
    Sie trat ans Fenster. Tarald und Liv ebenfalls. Oben vom Wald, auf dem Weg zur Kirche, kam ein Wagen heruntergezuckelt. Ein Sarg stand darauf, und hinter dem Wagen ging eine sehr einsame Gestalt. »Der Leichenzug des Nachtmannes«, murmelte Tarald. Sie richteten ihre Blicke zur Kirche. Draußen vor der Friedhofsmauer lungerten ein paar Leute herum. »Das Pack versammelt sich«, sagte Liv. »Nein, du hast recht, das geht wirklich nicht.«
    Sie war schon auf dem Weg hinaus in die Halle. Mattias folgte ihr eilig.
    »Spann die Pferde vor den besten Wagen«, befahl sie einem Diener. »Bist du richtig angezogen, Mattias? Ja, das ist gut. Und du, Tarald?«
    »Ich ziehe den schwarzen Mantel an«, sagte ihr Sohn. Yrja stand bereits fertig in ihrem dunklen Überwurf. »Schick einen Boten nach Lindenallee«, bat Mattias. »Nicht nötig«, erwiderte Liv. »Wie ich sehe, lassen sie bereits anspannen.«
    Er konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Die Angehörigen des Eisvolks dachten doch immer in dieselbe Richtung. »Und Elistrand?«
    »Von dort können sie die Kirche nicht sehen. Aber sie wollten Hilde dort treffen, also kommen sie sowieso.« Joel Nachtmanns Leichenzug bewegte sich langsam, deshalb erreichten sie die Kirche ungefähr gleichzeitig mit dem Leichenwagen.
    Am Friedhofstor standen kleine Gruppen von Dorfbewohnern, die keinerlei Absicht hatten, hineinzugehen. Sie starrten Hilde wütend an, als der Wagen auf den Platz einbog. »Henkersbrut!« riefen ein paar Halbstarke.
    »Was hat der in geweihter Erde verloren?« keifte eine Frau gehässig, und andere fielen ein.
    »Ja, vergrabt ihn draußen! Da gehört er hin.«
    Hilde senkte den Kopf noch tiefer. Ich muß da durch, dachte sie, aber in ihrem Inneren nagte ein tiefer Schmerz. Sie schluckte krampfhaft und wappnete sich. Gott, gib mir Kraft!
    Auf einmal verstummte die Menge. Die

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