Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
deutlicher wird es.«
»Wirklich erstaunlich!« Sayen richtete sich auf und klopfte den Goldstaub von dem Saum seines
schwarzen Gewandes. »Wohin führt die Spur?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Naemy. »Aber ich werde es herausfinden.« Wie eine Jägerin auf der Pirsch, die Augen fest auf den Boden gerichtet, verfolgte sie die geheimnisvolle Fährte mit vorsichtigen Schritten. Es zeigte sich, dass sie nicht wahllos durch den Raum verlief, sondern zielstrebig von einem Häufchen Goldstaub zum nächsten führte. Am vierzehnten Häufchen endete sie schließlich und Naemy bückte sich, um die Stelle genauer zu untersuchen. Vorsichtig
streckte sie die Hand aus und tastete mit den Fingern in dem feinen Staub herum. Zunächst spürte sie nichts, doch dann stießen ihre Finger gegen etwas Hartes.
»Abner!« Aufgeregt winkte Naemy den obersten Druiden herbei, der sich am Eingang des Gewölbes mit vier ratlos dreinblicken-den Befehlshabern der Stadtwache beriet. Er unterbrach das Gespräch und eilte, gefolgt von der Priesterinnenmutter, zur hinteren Wand des Gewölbes, wo die Nebelelfe am Boden hockte. »Was hast du gefunden ? «
»Seht selbst!« Mit Daumen und Zeigefinger griff Naemy in den Staub und zog einen großen toten
Käfer heraus. »Ein Lederkäfer!«, stieß die Priesterinnenmutter hervor.
»Was ist daran so besonders? «, wollte der Abner wissen. »Lederkäfer gibt es in diesen Gewölben zu hunderten; wahrscheinlich liegt er schon viele Mondläufe hier unten.«
»Nein.« Naemy legte sich den toten Käfer vorsichtig auf die ausgestreckte Hand und erhob sich.
»Er ist in dem Moment gestorben, als die Krieger verschwanden«, behauptete sie. »Doch zuvor hat er jedem einzelnen Krieger einen Besuch abgestattet. Seht her!« Sie deutete auf den Staub und erläuterte den Umstehenden anhand der Spur, was sie entdeckt hatte. Dann erhob sie sich und blickte den Druiden ernst an. »Ich bin sicher, dass der Käfer etwas mit dem Verschwinden der Statuen zu tun hat und ich werde auch herausfinden, was es ist.«
Ein heftiger Schmerz hämmerte hinter Kianys Stirn, als sie die Augen öffnete. Diesmal befand sie sich in keinem Krankenzimmer, sondern in dem kleinen Raum, der Manou und ihr als Schlafkammer diente und sie war nicht allein.
Manou saß auf einem Stuhl neben dem Bett. Ihr Kopf ruhte auf den Armen, die sie auf die Tischplatte gelegt hatte, und ihr Gesicht wurde von den dunklen Locken fast völlig verdeckt. Ihre gleichmäßigen Atemzüge waren das einzige Geräusch in der Kammer und verrieten, dass sie schlief.
Kiany blinzelte in das Tageslicht hinter dem kleinen Fenster und fragte sich, wie spät es sein mochte. Der Himmel war wolkenverhangen und so konnte sie nicht erkennen, ob es Morgen oder Abend war. Vorsichtig setzte sie sich auf und griff an der schlafenden Manou vorbei nach dem Wasserkrug. Er war voll und sehr schwer. Mit einem kratzenden Geräusch scharrte er über den Tisch, wo er helle Spuren hinterließ. Kiany goss einen tönernen Becher halb voll und wollte den Krug wieder abstellen. Doch das schwere Gefäß rutschte ihr aus der Hand und fiel polternd zu Boden.
Manou schreckte hoch. Verwirrt starrte sie zunächst Kiany, dann den Wasserkrug an und
schüttelte den Kopf. »Du hättest mich wecken sollen, wenn du Durst hast«, schalt sie. »Warum habe ich wohl sonst die ganze Nacht über hier gesessen?« Sie rieb sich müde über die Augen und bückte sich, um den Krug aufzuheben. »Unter dem Bett hat es eine große Pfütze gegeben, aber der Krug ist wenigstens heil geblieben!«, rief sie von unten herauf.
Sie stand auf, um ein Tuch zu holen, da fiel ihr etwas ein und sie setzte sich zu ihrer Freundin auf die Bettkante »Wie geht es dir?«, fragte sie besorgt.
»Nicht so gut. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen«, antwortete Kiany ehrlich und wechselte das Thema. »Du sagst, du hast die ganze Nacht bei mir gesessen. Heißt das, ich habe fast einen vollen Sonnenlauf lang geschlafen ? «
»So ist es! Wenn du so weitermachst, verpasst du noch den größten Teil deines Lebens.«
»Lass das, Manou!« Kiany war nicht zum Scherzen zumute. Sie lehnte sich zurück und starrte an die Decke. »Wer hat es gesehen?«, wollte sie wissen.
»Ziemlich viele!«
»Weiß die Priesterinnenmutter schon davon?« Manou nickte. Kiany seufzte und schloss die Augen. »Was sie jetzt wohl von mir denkt?«, überlegte sie laut.
»Sie war sehr besorgt«, erklärte Manou »Wenn du dich erholt hast, will sie zu dir
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