Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
kümmerte sich mehr um die Waren an den Ständen. Groß und Klein, ja sogar die Händler selbst beobachteten gebannt das seltsame Schauspiel, das ihnen geboten wurde. Die Geräusche ringsumher verstummten, und nur das bösartige Schnauben des Geschichtenerzählers, der seine Rolle als Ungetüm auch weiterhin spielte, war noch zu hören.
»Fort mit dir, du hässliches Ungeheuer«, rief der Junge und fuchtelte drohend mit dem Schwert, während er mutig einen Schritt auf den Geschichtenerzähler zumachte. »Was fällt dir ein, den anderen solche Angst einzujagen? Verschwinde, sonst spieße ich dich auf.« Die Worte des Jungen ließen keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Ihm schien nicht bewusst zu sein, dass alles nur ein Spiel war und er mit dem kleinen, stumpfen Schwert nicht mal ein Kaninchen töten könnte.
Der Geschichtenerzähler war zutiefst verwirrt. Er reiste schon viele Sommer durch Thale, um sich mit den alten Legenden des Landes und den Geschichten, die er selbst erfunden hatte, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, doch nirgends war er auf ein so mutiges und angriffslustiges Kind gestoßen wie diesen Jungen. Die Lage war überaus unangenehm. Der Geschichtenerzähler spürte die Blicke der Menschen, die ihn anstarrten und neugierig darauf warteten, wie er sich verhalten würde.
Er konnte den Worten des Jungen unmöglich Folge leisten, denn wenn er das täte, würde er statt Münzen nur Spott und Gelächter ernten. So entschloss er sich anzugreifen.
»Rrrrroaaaaarrr!«, brüllte er wie ein tobsüchtiger Monghul, hob die Arme und stürzte sich auf den Jungen. Die Menge schrie entsetzt auf und wich zurück. Nur der Junge blieb standhaft. Irgendetwas in seinem Blick sagte dem Geschichtenerzähler, dass der Angriff ein Fehler war, doch für einen Rückzug war es zu spät. Er hatte das Spiel begonnen-und musste bis zum Ende durchhalten, wenn er sein Gesicht wahren wollte.
Das Ende kam schneller als erwartet. Noch bevor er den Jungen erreichte, sprang dieser vor und rammte ihm das Holzschwert mit voller Wucht in die Magengrube. Der Geschichtenerzähler verdrehte die Augen und stieß einen dumpfen, pfeifenden Laut aus. Dann krümmte er sich, sackte zusammen und blieb besinnungslos auf dem harten Pflaster liegen.
Auf dem Marktplatz bereitete sich betretenes Schweigen aus. Alle starrten auf den Jungen, der mit dem Schwert in der Hand vor dem Geschichtenerzähler stand und zufrieden lächelte.
»Tarek! Was tust du da?« Die ärgerliche Stimme einer Frau ertönte über die Köpfe der Umstehenden hinweg. Dann teilte sich die Menge, und eine kleinwüchsige, rundliche Frau mit einem großen Korb in den Händen zwängte sich schnaufend hindurch. Sie trug einen dunkelbraunen Umhang über dem schlichten grauen Arbeitskittel; ihr Haar wurde von einem grob gewebten braunen Kopftuch bedeckt. In der Eile war es verrutscht, so dass ein paar dunkle Haarsträhnen darunter hervorschauten. Unmittelbar vor dem Jungen blieb sie stehen und starrte ihn erbost an. Doch die erwartete Strafpredigt blieb zunächst aus, denn die Frau kniete neben dem Geschichtenerzähler nieder, um ihn auf Verletzungen zu untersuchen. »Bei der Göttin, warst du das?«, herrschte sie den Jungen an, während sie aus ihrem Umhang eine Rolle formte und den Kopf des Mannes darauf bettete.
»Er hat die Kinder angegriffen«, verteidigte sich der Junge knapp. In seinem Gesicht zeigte sich nicht mal eine Spur von Reue.
»Aber Tarek, Junge.« Die Frau war sichtlich ungehalten. »Das war doch nur ein Spiel. Er wollte ihnen doch nichts Böses.«
»Wenn er so ein Spiel beginnt, muss er auch damit rechnen, dass jemand mitspielt«, erwiderte Tarek kühl. Die Frau, die offensichtlich seine Mutter war, seufzte kopfschüttelnd. Dann blickte sie auf und herrschte die Schaulustigen ärgerlich an. »Was ist los? Was steht ihr hier herum und glotzt? Will denn niemand frisches Wasser holen, damit wir den armen Mann wieder zur Besinnung bringen können?« Sie streifte Tarek mit einem unverhohlen wütenden Blick. »So etwas wird nicht noch einmal vorkommen«, prophezeite sie ihm. »Darauf kannst du . . . «
»Hier ist kühles Wasser und ein sauberes Tuch.« Paira, deren Marktstand sich in unmittelbarer Nähe des Geschehens befand, schlüpfte durch die sich zerstreuende Menschenmenge. »Ist er schwerverletzt?«, fragte sie besorgt, während sie der Frau ein feuchtes Tuch reichte und beobachtete, wie diese die Stirn des Geschichtenerzählers damit
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