Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
»Du weißt, dass es nicht stimmt«, murmelte er sanft und schloss die Augen. Wie weich ihre Haut war, wie ihr Haar duftete . . . Wie hatte er nur so lange ohne sie sein können? In einem Anfall von Zärtlichkeit nahm er Paira in die Arme und zog sie fest an sich.
»Ich . . . ich habe dir etwas zu essen mitgebracht«, flüsterte sie atemlos und versuchte halbherzig, sich aus der Umarmung zu befreien. »Käse, Brot und etwas frisches. . . « Weiter kam sie nicht, denn Fedeons Lippen verschlossen die ihren mit einem leidenschaftlichen Kuss. Eng umschlungen sanken die beiden ins Gras, und die Zeit verflog in einem Ansturm von Gefühlen, der Fedeon alles andere vergessen ließ.
»Was wünschst du dir für die Zukunft?«, fragte Fedeon später und strich Paira zärtlich über die Wange.
»Kinder!«, murmelte sie mit geschlossenen Augen und seufzte zufrieden. »Eine ganze Schar.« Plötzlich setzte sie sich auf und sah ihren Gefährten ernst an. »Kannst du es sehen?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Siehst du unsere Zukunft?«
»Nein!« Fedeon schüttelte betrübt den Kopf. »Ich sehe nichts. Weder für uns noch für die Ernte im kommenden Jahr. So sehr ich mich auch mühe, nirgends finde ich einen Hinweis darauf, was geschehen wird. Alles, was ich sehe, sind undeutliche weiße Bilder, die mich an tief verschneite Landschaften erinnern.«
»Dann wird es wohl einen strengen Winter geben«, vermutete Paira und lachte. »Ich werde meiner Mutter sagen, sie soll genügend Brennholz bevorraten.« Sie setzte sich auf und schaute zum Himmel hinauf, wo die Sonne hoch über den Gipfeln der Valdor-Berge stand. »Ich muss los«, sagte sie. »Mutter ist gewiss schon längst auf dem Markt und wartet, dass ich zurückkomme, um ihr zu helfen.« Eilends glättete sie das efeufarbene Schürzenkleid, richtete das verrutschte Untergewand aus hellem Leinen und stand behände auf.
»Ach, bleib doch noch ein wenig.« Fedeon ergriff ihre Hand und hielt sie fest. »Es ist viel schöner, hier mit dir zu sitzen, als allein.« Er zog sie noch einmal zu sich herab und küsste sie leidenschaftlich lang.
»Nein, es geht nicht ... Ich muss ... du musst«, murmelte Paira zwischen zwei Küssen. » ... ich würde dich nur ablenken. Die Visionen ...«
»Ach, vergiss die Visionen«, sagte Fedeon lachend. »Du bist mir wichtiger als alle Lieder und Gebete dieser Welt.«
»Aber von Luft und Liebe können unsere Kinder nicht leben.« Entschlossen löste sich Paira aus Fedeons Armen. »Die Erntefeier ist eine wunderbare Gelegenheit für dich. Wenn die Druiden mit deiner Arbeit zufrieden sind, wirst du sicher eine Anstellung als Skalde in der Inneren Festung bekommen.«
»Ich weiß.« Fedeon nickte. »Anthork, der oberste Druide, hat mir erst gestern mitteilen lassen, dass er meine Lieder für wahre Meisterwerke hält. Es ist nur dieses verflixte Gebet, das. . . «
»Du solltest nicht so viel grübeln oder gar an deinen Fähigkeiten zweifeln«, meinte Paira. »Es könnte gut sein, dass du dir damit selbst im Weg stehst.« Sie hob den leeren Weidenkorb vom Boden auf, in dem sich Speis und Trank für Fedeon befunden hatten, und lächelte ihm aufmunternd zu. »Entspann dich«, riet sie. »Du bist ein begnadeter Skalde und wirst ein hervorragendes Dankgebet verfassen, dessen bin ich mir ganz sicher. Außerdem hast du noch fast zehn Sonnenläufe Zeit, um das Gebet niederzuschreiben. Da fällt dir bestimmt etwas ein.« Sie bückte sich und hauchte ihrem Gefährten zum Abschied einen Kuss auf die Wange. »Ich muss mich beeilen«, sagte sie. »Mutter wird zu Recht ärgerlich, wenn sie den Marktstand ganz allein bedienen muss.« Sie hob das Kleid mit der freien Hand ein wenig an und lief leichtfüßig den Hügel hinunter. Nach zwanzig Längen blieb sie noch einmal stehen und winkte Fedeon zu. »Sehen wir uns heute Abend?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ich hole dich nach Sonnenuntergang ab.« Fedeon lächelte und warf Paira eine Kusshand zu.
2
Diese stieß einen leisen Freudenschrei aus und wandte sich um, um mit wehenden Gewändern auf Nimrod zuzueilen. Das riesige zweiflügelige Holztor inmitten der Festungsmauer stand wie immer weit offen und wurde von einem nicht enden wollenden Strom von Menschen passiert. Fedeon blickte Paira nach, bis er ihre schlanke Gestalt in dem Gedränge nicht mehr ausmachen konnte. Dann griff er nach dem duftenden Brotlaib, den sie ihm mitgebracht hatte, schnitt sich eine dicke Scheibe davon ab und beobachtete kauend
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