Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
sich zögernd am Nachthimmel zeigten.
Die milde Luft der lauen Sommernacht war angenehm, der Abend windstill und das Land friedlich. Mit einem Mal erschien es ihm verlockend, einfach liegen zu bleiben und ein wenig auszuruhen. Das leise Zirpen der Heupferde drang von fern an sein Ohr, hüllte ihn ein und trug die trüben Gedanken mit sich fort, bis Tabor entspannt die Augen schloss und sich dem willkommenen Schlaf überließ.
»Tabor?« Der Ruf durchzog die Träume des jungen Elfen wie die verzerrte Erinnerung an eine andere Welt und platzte wie ein Störenfried mitten in jenes tröstliche Traumbild, in dem Tabor und Naemy noch einmal den Bajun-Gletscher auf der Suche nach gefrorenen Riesenalpgelegen erforschten. Das Bild der eisigen, sonnenbeschienenen Ebene löste sich auf und wich der samtenen Dunkelheit über den Sümpfen von Numark.
Tabor richtete sich auf und rieb sich blinzelnd die Augen.
Zunächst war er sich nicht sicher, ob der Ruf ein Teil des Traums oder Wirklichkeit gewesen war, doch dann erkannte er vor dem Hintergrund der Sterne zwei vertraute Silhouetten am Himmel, die sich rasch auf ihn zubewegten. Riesenalpe!
Im Nu war Tabor auf den Beinen und reckte den Arm in die Höhe. Der vorderste Riesenalp war Leilith, daran gab es keinen Zweifel. Sie flog dem anderen ein ganzes Stück voraus, und an der Art, wie dieser sich bewegte, erkannte Tabor, dass es nur Chantu, Leiliths Bruder, sein konnte.
»Leilith, Chantu!«, rief er in Gedankensprache und winkte heftig, um die beiden zu begrüßen.
»Tabor!« Chantu antwortete sofort.
»Welch freudige Überraschung, dich zu sehen!«, erwiderte Tabor. »Dich und Leilith. Was führt euch hierher?«
»Das Schicksal«, entgegnete Chantu knapp.
Das Schicksal? Tabor runzelte die Stirn. Er wusste, dass sich Riesenalpe oft wortkarg gaben und gern in Rätseln sprachen, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.
»Wie meinst du das?«, fragte er verwundert.
»Warte es ab!« Diesmal war es Leilith, die ihm antwortete.
»Ach, Leilith!«, entfuhr es Tabor. »Musst du wirklich so geheimnisvoll tun? Was ist los?«
»Das kann ich dir nicht sagen - noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Sie ... äh .. . sie sind noch nicht bereit.« »Wer? Und bereit wofür?« Irgendwie kamen Tabor die Worte bekannt vor. »Willst du es mir nicht sagen?« »Doch, schon, aber ...«
»Aber was?« Tabors wurde langsam ungeduldig. Leilith machte sich mal wieder einen Spaß daraus, ihn mit verworrenen Andeutungen neugierig zu machen, doch eben dem Schlaf entglitten, stand ihm der Sinn nun wirklich nicht danach.
»Ich darf es dir nicht sagen.« Wieder wählte Leilith Worte, die Tabor seltsam vertraut waren. »Ich kann . . . darf es nicht. Warte einfach und lass dich überraschen.«
Warten. Es waren nur noch ein paar hundert Längen, die Tabor von den beiden Riesenalpen trennten, und doch schien die Zeit unendlich langsam zu vergehen. »Hast du etwa wieder jemandem dein Wort gegeben?«, fragte er in Erinnerung an das Gespräch, das er mit Leilith einst in den eisigen Höhen des Ylmazur-Gebirges geführt hatte.
»So ist es.« Das klang fast ein wenig belustigt.
»Wieder diesen Freunden?«
»Denen auch.«
»Leilith, treib nicht schon wieder dieses Spiel mit mir«, ermahnte Tabor das Riesenalpweibchen in gespieltem Unmut. »Raus mit der Sprache, wer sind diese Freunde? Du solltest die Heimlichtuerei nicht. . . «
Er verstummte mitten im Satz und wich ein paar Schritte zurück, weil die beiden Riesenalpe in diesem Augenblick Hügel-schlagend zur Landung ansetzten. Erst als Chantu und Leilith sicher auf der Anhöhe standen und die Schwingen falteten, trat er auf sie zu und begrüßte das Riesenalpweibchen, indem er ihr freundschaftlich über das weiche Brustgefieder strich. »Hallo, Leilith«, sagte er diesmal laut und trat dann vor Chantu, den er viele Mondläufe lang nicht gesehen hatte. »Wie schön, dich wiederzusehen«, sagte er mittels Gedankensprache und schlang die Arme um den Hals des Riesenalps. »Leilith und ich haben dich sehr vermisst.«
... und ich habe dich so unendlich vermisst! Sanft und voller Liebe strich die unerwartete Antwort durch Tabors Gedanken, so vertraut und zärtlich, wie es nur eine einzige Stimme vermochte. Der wohl bekannte Klang brachte eine Saite in ihm zum Schwingen, von der er glaubte, dass sie auf ewig verstummt sei, und er zuckte erschauernd zusammen.
Naemy?
War das wirklich Naemys Stimme, die da zu ihm sprach?
Hoffnung durchflutete ihn wie eine
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