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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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unruhig hin und her. Das Bankett war vorbei, und
was für ein Mahl war es gewesen! Schwan, Hirsch, Eberbraten,
Rindfleisch und Kalb, Fisch aus dem Fluß, Neunaugen, in Sahnesauce
gekocht, Marzipan sowie Aspik, in die
außergewöhnlichsten Formen gegossen und geschnitten. Gaukler waren
gekommen und gegangen, Akrobaten, Feuerschlucker und Zwerge, die
alle zum Lachen gebracht hatten. Die Musikanten auf der Galerie am
hinteren Ende der Halle waren inzwischen fast eingeschlafen und der
Knabenchor mit den klaren Stimmen längst entlassen. Cranston riß
sich zusammen und schaute durch die Halle mit den zwei
nebeneinander verlaufenden Tafeln. Nicht mehr als sechzig der
großen Lords waren bei diesem Bankett zugegen. Wieso gehörte er zu
dieser erlesenen Schar? Vor dem Bankett hatte Gaunt dem
italienischen Fürsten von Cranstons Geschick bei der Aufklärung
berüchtigter Mordfälle erzählt.
    »Ist kein derartiges Problem
unlösbar für Euch?« hatte Cremona gefragt.
    »Keines!« hatte Cranston sich
trunken gebrüstet und dabei strahlend zu den gaffenden Umstehenden
hinübergeschaut. Jetzt begann Sir John, seine eitle Angeberei zu
bereuen. »Sir John, Ihr fühlt Euch wohl?«
    Cranston drehte sich um. Gaunt
schaute ihn forschend an, als bemühe er sich, Cranstons Verfassung
zu erkunden. »Mylord, ich bin glücklich, hier zu sein«, antwortete
Sir John. »Ihr erweist mir eine große Ehre.«
    Er und Gaunt schauten plötzlich an
das andere Ende der Halle, wo Tumult ausgebrochen war, weil eine
große Ratte, von einem Greyhound aufgescheucht, auf den Tisch
gehuscht war. Die Gäste sprangen aufgeregt von ihren Plätzen und
stachen mit ihren Messern auf das Nagetier ein, bis es vom Tisch
herunter in die Fänge eines wartenden Hundes sprang. Die Meute
geriet in Aufruhr und wurde erst von Jägern beruhigt, die mit
Peitschen die Hunde und ihre zerfleischte Beute hinaustrieben.
»Genug ist genug«, flüsterte Gaunt.
    Er stand auf und winkte den
Herolden, die auf der Galerie standen; diese hoben ihre silbernen
Trompeten und ließen drei langgezogene Fanfaren ertönen. Das Getöse
in der Halle verstummte. Alle Blicke richteten sich auf Gaunt.
»Euer Gnaden …«
    Gaunt nickte seinem versteinert
blickenden Neffen kaum merklich, zu.
    »… mein Fürst von Cremona und Ihr,
meine Freunde und Gäste; wir sind am heutigen Tag bei unserem
bescheidenen Mahl geehrt durch die Anwesenheit eines der großen
Herrscher Italiens - Signor Gian Galeazzo, Fürst von Cremona und
Herzog der umliegenden Gebiete.« Gaunt hielt inne, um den
plätschernden Applaus zuzulassen, ehe er ihn mit einer Bewegung
seiner beringten Hand wieder zum Schweigen brachte.
    »Doch der Fürst von Cremona hat ein
Problem, das er uns mitteilen möchte. Ein großes Geheimnis, das
niemand zu lösen vermag. Und deshalb habe ich den edlen Coroner
unserer Stadt um seine erhabene Anwesenheit gebeten: Sir John
Cranston.«
    Gaunt hielt inne, und Cranston warf
einen raschen Blick in die Runde. Er sah unterdrücktes Lächeln,
Grinsen hinter vorgehaltener Hand, und er spürte, daß eine Falle
auf ihn wartete. Gaunt war nicht sein Freund; er tolerierte ihn,
aber mochte ihn nicht, denn der Coroner hatte keine Zeit für die
Stutzer und Gecken am Hofe des Regenten, die den Reichtum des
Volkes vergeudeten für ihre weichen, weißen Leiber. Gleichwohl
lächelte Cranston jetzt und nickte zu den Worten Gaunts. Wachsam
wartete er auf das, was kommen sollte. »Sir John Cranston«, fuhr
Gaunt fort, »ist in der Stadt und bei den Gerichten wohlbekannt für
seine deduktive Vernunft, seine feinsinnigen Fragen, sein
rücksichtsloses Aufspüren der Verbrecher und seine Geschicklichkeit
bei der Lösung faszinierender Geheimnisse. Der Fürst von Cremona
hat ein solches Geheimnis, an dem die hellsten Köpfe und die besten
unter den forschenden Gehirnen an den Höfen Europas gescheitert
sind.« Gaunt machte eine Pause, und Cranston merkte, wie still es
in der Halle geworden war. »Der Fürst von Cremona«, fuhr Gaunt
fort, »hat eintausend Goldkronen darauf gewettet, daß niemand
dieses Geheimnis lösen kann. Mylord Coroner …« Gaunt wandte sich
halb Cranston zu. »Wollt Ihr die Wette annehmen?«
    Cranston starrte ihn sprachlos an.
Eintausend Goldkronen, das war ein Vermögen! Wenn er die Wette
einging und verlor, war er ein armer Mann. Wenn er aber ablehnte,
würde man ihn als Feigling verspotten. Wenn jedoch das Geheimnis
des Fürsten von Cremona so verzwickt war, war seine Chance, ein
solches Vermögen zu

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