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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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murmelte
Cranston. John von Gaunts Haupthalle hier im Savoy-Palast an der
Themse war ebenso reich und üppig ausgestattet wie die im
päpstlichen Palast in Avignon oder das Gemach eines großen
italienischen Fürsten — wie etwa dem, den Gaunt bei diesem
prachtvollen Bankett bewirtete. Goldbrokat, dick und mit silbernen
Fäden bestickt, bedeckte jeden Zoll der Wand unter der
Stichbalkendecke. Das Glas der Fenster war vielfältig gefärbt, und
jede Scheibe schmückte eine Geschichte aus der Bibel oder aus der
klassischen Mythologie. Ein gelbschwarzer türkischer Teppich aus
reinster Wolle bedeckte den Boden von Wand zu Wand. Die Tafeltücher
waren aus Seide, und jeder Teller, jeder Kelch aus edlem Metall.
Kein Wunder, daß John von Gaunt, Herzog von Lancaster und Regent
des Reiches, solange sein Neffe, Richard II., noch ein Knabe war,
ausgewählten Bewaffneten befohlen hatte, sich diskret in der Halle
zu verteilen, je einer zur Beobachtung jedes Gastes; der Herzog
duldete keinen Dieb in seinem Haushalt. Gaunt hatte dieses Bankett
veranstaltet, um seine Pracht zu demonstrieren und den Fürsten von
Cremona zu unterhalten, nicht um Dieben und Schurken, die sich in
jedem Palast herumtrieben, leichte Beute zu gewähren. Cranston
rülpste noch einmal und klopfte sich auf den mächtigen Wanst. Seine
Frau, Lady Maude, hatte vor kurzem zwei prächtige Knaben entbunden,
Francis und Stephen. Cranston war vom Regenten in seinem Amt als
Coroner bestätigt worden, und jener hatte ihn eingeladen, bei
diesem Bankett zu seiner Rechten zu sitzen, eine außerordentliche
Ehre für einen
Friedensrichter.       
    »Ich wünschte, Lady Maude könnte
mich jetzt sehen«, brummte Cranston. Aber die Einladung hatte nicht
auch seiner braven Frau gegolten. Nicht daß sie das gestört hätte.
»Gott verzeih mir, Sir John«, hatte sie gesagt, »aber ich kann den
Herzog von Lancaster nicht leiden. Er hat Augen wie eine Schlange —
tot und kalt. In seinem Ehrgeiz ist er wie Luzifer, und ich fürchte
für den jungen König.« Sir John war überrascht gewesen. Lady Maude
war eine umsichtige Frau. Sie behielt ihre Gedanken für sich, aber
wenn sie sprach, waren ihre Worte wie wohlgezielte Pfeile, die
geradewegs ins Ziel trafen. Cranston rutschte unbehaglich hin und
her; er stellte seinen Becher auf den Tisch und wandte sich nach
links. Gaunts gelbliches Gesicht mit dem säuberlich gestutzten Bart
wirkte zufrieden, während er unter schweren Lidern die Herrlichkeit
seiner Halle betrachtete. Links neben Gaunt saß der junge König.
Der Junge, dachte Cranston, sieht aus wie ein Engel mit seinem
blassen Gesicht, den klaren blauen Augen, den empfindsamen Zügen
und dem schulterlangen blonden Haar. Der junge König schien dem
dunkelbärtigen, braungesichtigen italienischen Fürsten, der zu
seiner Linken saß, aufmerksam zu lauschen.
    Cranston lehnte sich wieder zurück
und warf einen Seitenblick auf den Italiener; der Mann war berühmt
für seinen verschlagenen Scharfsinn, der ihn reich wie Krösus und
seinen kleinen Stadtstaat zu einer der großen Mächte Italiens
gemacht hatte.
    Der Fürst von Cremona beherrschte
Banken, Häfen, fruchtbare Weingärten, Felder und Gutshäuser. Seine
Schiffe reisten von der Adria bis zum sagenhaften Konstantinopel
und zu den goldenen Gestaden von Trezibond. Cranston wußte, warum
er in England war. Die englische Staatskasse war leer. Das
Parlament war aufsässig; unter den Bauern brodelte die
Unzufriedenheit derart, daß die Steuereintreiber nicht mehr wagten,
ohne starke Militäreskorte in ein Dorf einzuziehen. Gaunt hatte
Cremona nach England eingeladen, um ein Darlehen bei ihm
aufzunehmen, und infolgedessen in seiner üppigen Gastlichkeit nicht
geknausert. Prunkwagen hatten ihn in Southampton begrüßt; Gaunt und
seine Brüder, in reinen Goldbrokat gekleidet, hatten ihn nach
London geleitet, wo er mit immer prachtvolleren Schauspielen,
farbenfrohen Spektakeln, Banketten und Reden begrüßt worden war.
Das alles mochte Cremona beeindruckt haben, aber den Unwillen in
der Stadt hatte es nur verstärkt. Die Londoner sahen, daß Gaunt
mehr Macht auf sich vereinte als jeder Kaiser, Papst oder
König.
    Cranston griff nach seinem Becher
und schlürfte geräuschvoll; er genoß es, wie der Wein mit seinem
körperreichen Geschmack seinen Mund mit Süße erfüllte. Aber seine
gute Laune begann zu schwinden. Sollte er sich an dieser Prasserei
beteiligen? Und weshalb hatte Gaunt ihn eigentlich eingeladen?
Cranston rutschte

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