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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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des
Windes und das unheimliche Heulen der Wölfe, die zur Jagd von den
Bergen
herabkamen.«       
    Galeazzo verstummte und schaute in
die Runde. Cranston bewunderte sein Geschick: Die Zuhörer waren
sich der prunkvollen Halle und des englischen Sommerabends nicht
mehr bewußt; alle dachten an ein einsames, gespenstisches Landhaus
im fernen Cremona. Trotzdem war der Coroner unruhig und besorgt. Er
wünschte, der italienische Edelmann würde endlich zur Sache kommen,
damit sein eigener listiger Verstand sich dem dargebotenen Problem
widmen könnte. »Als das Geschichtenerzählen zu Ende war, wurde
meine ehrwürdige Tante von einem der Gäste ausgefragt: Ob es in
diesem Haus nicht Gespenster gebe? Erst wollte sie nicht antworten,
aber als die Gäste darauf beharrten, erzählte sie von der
scharlachroten Kammer - einem Raum unter dem Dach, den man
verriegelt und verrammelt hatte, weil jeder, der dort schlief,
eines gewaltsamen, geheimnisvollen Todes starb.« Galeazzo machte
eine Pause und trank aus einem perlmuttverzierten Kelch.
    »Mylords, Ihr könnt Euch denken, was
geschah. Alle waren voll des Weines und brannten vor Neugier, die
befriedigt werden mußte. Um es kurz zu machen: Meine Tante wurde
bedrängt, den Gästen das Gemach zu zeigen. Diener wurden
herbeigerufen, Fackeln entzündet, und dann führte meine Tante uns
aus der Halle und die große Holztreppe hinauf. Ich war noch ein
kleiner Junge und blieb unter all den anderen unbemerkt. Nun, ich
wußte, daß das oberste Stockwerk des alten Hauses immer
verschlossen war, aber jetzt öffneten die Dienstboten Schlösser und
nahmen Ketten ab, und meine Tante führte uns eine kalte, steile
Treppe hinauf.« Er hörte auf zu reden und schüttelte den Kopf. »Ich
werde nie vergessen, wie die Ratten quiekend davonwieselten und das
Mondlicht auf die Stäubchen in der Luft schien. Wir erklommen die
Treppe und bogen um die Ecke. Die Gäste wimmelten durcheinander,
und in ihrer Erregung schwang jetzt auch Angst, denn es war furchtbar kalt und dunkel. Diener eilten
voraus und zündeten die Fackeln an, die an den Wänden befestigt
waren; der Korridor erwachte zum Leben, und aller Augen richteten
sich auf die Tür an seinem Ende. Verriegelt und mit Ketten und
Vorhängeschlössern gesichert, zog sie uns an wie ein furchtbarer
Fluch.« Wieder verstummte Galeazzo, nahm einen Schluck Wein und
lächelte Cranston kurz an.
    »Die Tür wurde aufgeschlossen, und
wir betraten eine kleine, vollkommen quadratische Kammer. Ein Tisch
stand da, ein Schemel, ein Kamin, ein kleines Gitterfenster war in
der gegenüberliegenden Wand, aber beherrscht wurde die Kammer von
einem großen, vierpfostigen Bett. Als meine Tante befahl, Fackeln
anzuzünden und Kerzen hereinzubringen, stockte uns der Atem.
Wahrhaft lodernd erwachte der Raum zum Leben. Glaubt mir, alles -
der Fußboden, die Decke, die Wände, der Teppich, das Bett - war
leuchtend scharlachrot, wie mit frischem Blut getränkt.« Galeazzo
brach ab, beugte sich vor und wählte eine Weintraube aus einer
Schale. »Das Geheimnis!« schrie einer der Gäste. »Was ist mit dem
Geheimnis?«
    Cranston schaute über den Tisch.
Gaunt saß zusammengesunken da, die Augen halb geschlossen, und ein
leises Lächeln spielte auf seinem Gesicht, als wisse er schon, was
als nächstes kommen würde. Der junge König saß wie jedes Kind mit
runden Augen und offenem Mund da. Aber Galeazzo war ein geborener
Geschichtenerzähler und spielte noch ein Weilchen mit seinem
Publikum. Langsam kaute er auf seiner Weintraube.
    »Jetzt«, sagte er, »beginnt das
Geheimnis. Einer der Gäste forderte meine Tante heraus. Er
erklärte, er werde eine Nacht in dieser Kammer verbringen,
vollbewaffnet. Er werde nichts zu trinken und nichts zu essen
mitnehmen. Eine gründliche Durchsuchung
ergab, daß keine geheimen Gänge oder Falltüren vorhanden waren.
Danach wurde das Zimmer gereinigt und das Bett mit frischen Kissen
und Leintüchern versehen. Kohle wurde heraufgebracht, und man
zündete im Kamin ein Feuer an. Wir alle überließen den jungen Mann,
diesen überaus törichten jungen Mann der Nacht und seinem
Schlummer. Der nächste Morgen zog wolkenlos herauf; die Sonne
schien, und leichtes Tauwetter setzte ein. Also zogen wir vor dem
Frühstück alle hinaus, denn in der Gegend von Cremona ist Schnee
ein seltenes Phänomen. Wir unternahmen einen munteren Spaziergang,
und jemand fragte, wie es wohl dem jungen Mann ergehen mochte. Wir
wußten, daß die scharlachrote Kammer sich

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