Die Sakristei Des Todes
an der Vorderseite des
Hauses befand, und als wir hinaufschauten, sahen wir, daß er zu uns
herunterstarrte. Wir winkten und gingen wieder ins Haus. Erst als
wir gefrühstückt hatten, fiel uns auf, daß der junge Mann immer
noch nicht erschienen war. Diener wurden zu der Kammer
hinaufgeschickt. Kurz darauf kam einer von ihnen zurück; sein
Gesicht war weiß und seine Augen voller Grauen. Er schrie, meine
Tante solle kommen, und wir alle folgten ihnen. Wir betraten das
scharlachrote Gemach. Das Feuer im Kamin war erloschen. Im Bett
hatte jemand geschlafen, aber der junge Mann stand am
Fenster.
Ich lüge nicht, Ihr Herren: Der Mann
war tot. Er stand mit offenem Mund und starren Augen da, wie wir
ihn von unten gesehen hatten. Er hatte versucht, das Fenster zu
öffnen, und die Fingernägel tief in den Rahmen gegraben. Ich kann
nur sagen, Ihr Herren, sein Gesicht drückte abgrundtiefes Entsetzen
aus. Einer der Gäste, ein Arzt, bestätigte, daß etwas Böses, etwas
Furchtbares das Herz des jungen Mannes vor Angst hatte stehen
lassen.«
Galeazzo war am Ende; er wandte sich
Sir John zu. »Ihr habt alles verstanden, Lord Coroner?«
»Ja, Mylord.«
»Ihr habt Fragen?«
»War das Zimmer in
Unordnung?«
»In keiner Weise!«
»Gab es irgendwelche Geheimgänge
oder Tunnel?« Cranston stellte seine Fragen mit lauter Stimme,
damit jeder in der Halle sie hören konnte, und Galeazzo antwortete
in gleicher Weise. Der Italiener wandte sich der versammelten
Gesellschaft zu und winkte.
»Ich schwöre bei der Ehre meiner
Mutter, niemand hat diesen Raum betreten. Es gab keine verborgenen
Türen oder Fenster. Es wurde nichts zu essen und nichts zu trinken
serviert. Die Kohlen kamen aus dem Keller, und die Kerzen, die der
junge Mann mit in die Kammer nahm, hatten vorher unten in der Halle
gebrannt.«
Cranston starrte ihn ungläubig an
und wünschte sich wieder einmal Athelstan her.
»War es ein Dämon, irgendein böser
Geist?«
»Ah!« Galeazzo, Fürst von Cremona,
wandte sich an die Halle. »Mylord Coroner fragt, ob die Kammer
vielleicht von irgendwelchen Dämonen besessen war. Meine Tante
befürchtete das und schickte nach einem heiligen Priester aus der
nahen Kirche, damit er den Raum segne und exorziere. Der ehrwürdige
Pfarrer kam gegen Ende des Tages. Er versah jede Ecke des Raumes
mit seinem Segen und einem Exorzismus, aber ohne sichtbares
Resultat. Also ließen wir ihn dort; er sagte, er werde beten, und
verschloß die Tür hinter uns.« Galeazzo drehte sich um und
lächelte, als er Cranstons Gesicht sah. »Mylord Coroner, Ihr ahnt
sicher schon, was als nächstes geschah. Erst am späten Abend
bemerkte meine Tante, daß der ehrwürdige Pfarrer nicht wieder
herausgekommen war; also brachen Diener die Tür auf und fanden den
Priester tot am Boden - und in seinem Gesicht lag der gleiche
Ausdruck des Grauens wie auf dem des jungen Mannes, der am Morgen
gestorben war.« Galeazzo hielt inne, um sich in den Ohs und Ahs seiner Zuhörer zu
sonnen. Gaunt befingerte seine Unterlippe; der junge König hatte
seinen verhaßten Onkel inzwischen ganz vergessen und beobachtete
den italienischen Edelmann aufmerksam. »Mylord«, rief er jetzt mit
schriller Stimme, »was geschah dann?«
Galeazzo lächelte. »Meine Tante gab
sich damit nicht zufrieden. Sie ließ zwei aus ihrem Gefolge kommen,
abgehärtete Kriegsmannen, der eine ein guter Schwertkämpfer, der
andere ein Armbrust-Experte aus Genua. Mit Gold wurden sie dazu
überredet, eine Nacht in der Kammer zu verbringen, und bezogen noch
am selben Abend Posten. Die Tür blieb unverschlossen, denn man
hatte sie aufbrechen müssen, um den Leichnam des Priesters zu
entdecken. Der Schwertkämpfer schlief auf dem Stuhl, der Genuese im
Bett. Mitten in der Nacht wurden wir alle von einem schrecklichen
Schrei geweckt.
Diesmal durfte ich nicht mitkommen,
aber später erzählte mir meine Tante: Als sie die scharlachrote
Kammer betrat, fand sie den Schwertkämpfer am Boden; ein
Armbrustbolzen hatte sich tief in seine Brust gebohrt, und der
Genuese, der seine Waffe noch immer umklammert hielt, lag
hingestreckt neben ihm. Er war tot, genau wie die anderen, aber
etwas Böses in diesem Raum, eine dämonische Macht, schloß meine
Tante, hatte diesen Soldaten gezwungen, seinen Kameraden zu
ermorden, bevor er selbst zugrunde gegangen war.«
Unvermittelt klatschte Galeazzo in
die Hände. »Meine Tante hatte getan, was in ihrer Macht stand. Die
Toten wurden fortgebracht, Messen gelesen und die
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