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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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dunkle
Massiv von Blackfriars. In den Häusern auf der anderen Seite
brannte kein Licht außer den Laternenhörnern, die an Haken über
jeder Tür hingen. Zwei Nachtwächter gingen vorbei mit Stangen auf
den Schultern. Sie sahen Athelstans schwarzweiße Gewänder, gingen
weiter und kicherten über die seltsamen Gewohnheiten gewisser
Priester.
    Athelstan hatte Mühe, die Augen
offenzuhalten. Bis zur Schenke war es nicht mehr weit. Dann blieb
er stehen. Trotz der warmen Nachtluft war ihm kalt, und er
verfluchte sich für seine Dummheit. Wieso hatte der Bote nicht im
Pförtnerhaus gewartet? Wieso ließ man ihn lange nach dem
Abendläuten zu einer Schenke kommen? Der Bruder spähte in die
Dunkelheit und war plötzlich hellwach. Er spürte, daß etwas nicht
stimmte. Was konnte so dringend sein, daß man ihn mitten in der
Nacht herausrief? Er beugte sich vor und spitzte die Ohren. In der
Ferne hörte er Hufgetrappel, das schrille Schreien einiger Katzen
und das Quieken und Rascheln von Ratten, die in den großen
Kotbergen in der Gosse stöberten. »Hallo?« rief er. »Wer ist
da?«
    Inzwischen hatten sich seine Augen
an die Dunkelheit gewöhnt, und er versuchte, auszumachen, ob da an
der Ecke der Carter Lane jemand in den Schatten stand. Er spähte
zum Himmel hinauf und dachte beiläufig, daß es eine schöne Nacht
wäre, um die Sterne zu studieren. Leiser Wind kam auf und wehte den
Gestank der Fleischerläden in den Shambles rings um Newgate heran.
Sollte er weiterreiten? Doch dann hörte er es: das Scharren von
Leder auf dem schmutzigen Kopfsteinpflaster, und ein leises,
kratzendes Zischen. »Wer ist …?« Er brach ab, als er das Geräusch
erkannte. Er hatte es schon öfter gehört: immer, wenn Cranston den
Dolch aus der Lederscheide zog. Eine zweite Aufforderung brauchte
Athelstan nicht. Er riß Philomel herum und trat ihm mit aller Kraft
die Fersen in die Flanken. In der Regel pflegte das alte Streitroß
dann widerstrebend in Trab zu verfallen. Athelstan, nicht eben ein
erstklassiger Reiter, trieb ihn an und peitschte ihm mit den Zügel
den Widerrist. Hinter sich hörte er Schritte. War es einer, oder
waren es zwei?
    »Au secours! Aidez-moi!« schrie Athelstan - der übliche Hilferuf für einen,
der auf der Straße überfallen wurde. So galoppierte er, auf
Philomel einschlagend und um Hilfe brüllend, zurück zum Haupttor
von Blackfriars. Die Schritte stoppten. Er hörte einen gedämpften
Ruf, ein Klicken, und er duckte sich - aber der Armbrustbolzen
schwirrte hoch über seinen Kopf. Lichter flammten auf in den
Fenstern, und gottlob hatte der Pförtner das Tor bereits geöffnet.
Athelstan sprang aus dem Sattel und zerrte das alte Schlachtroß
hinein. »Das Tor verriegeln!« schrie er.
    Der Pförtner schlug es zu. Athelstan
ließ Philomels Zügel fahren, und während das alte Roß pfeilschnell
in den nahen Garten galoppierte, um dort die Blumen zu fressen,
stand Athelstan vornübergebeugt da und verschränkte die Arme vor
dem Leib, um seine Panik zu bändigen. »Ist etwas nicht in Ordnung,
Bruder?«
    Athelstan schaute in das schmale
Gesicht des Pförtners und richtete sich müde auf. »Doch, doch, laß
nur.« Er führte widerwillig Philomel zurück in den Stall, nahm ihm
den Sattel ab und machte es ihm für die Nacht bequem. Dann kehrte
er zum Gästehaus zurück. Er war wachsam wie in einem Alptraum, denn
ihm war klar, daß der Überfall von jemandem hier in Blackfriars
geplant worden sein mußte. Sorgfältig sah er sich im Gästehaus um
und untersuchte selbst den Weinkrug in der Küche; er verriegelte
die Tür, schloß die Fensterläden und ging nach oben, um dort eine
unbehagliche Nacht zu verbringen.
    Früh am nächsten Morgen stand er auf
und verließ Blackfriars. Der Überfall vom vergangenen Abend hatte
eine beständige, alles durchdringende Angst in ihm geweckt. Mit
ihren Ermittlungen waren sie jemandem nahe gekommen, der mächtig
und bösartig genug war, Gauner oder Wegelagerer anzuheuern, die
ihnen ans Leben gehen würden, ohne mit der Wimper zu zucken, und
das für sehr viel weniger Geld als dreißig Silberlinge.
    Als er in die Thames Street einbog
und durch Vintry und Ropery zur Bridge Street ritt, war die Sonne
noch nicht aufgegangen. Er hielt mit dem immer noch widerspenstigen
Philomel Abstand von den Häusern und hatte ein wachsames Auge auf
dunkle Türen und Hauseingänge, vor allem in den verkommenen
Quartieren am Ufer der Themse. Weinhändler und Schuhmacher
schliefen noch fest, und auf den Straßen

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