Die Sakristei Des Todes
geziemend bestattet haben. Los! Trink deinen Wein aus und
lauf!« Der Laienbruder gehorchte. Anselm lehnte sich in seinem
Chorstuhl zurück. »Weiter, Athelstan«, sagte er leise.
Cranston ging zu Athelstan und
flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dieser lächelte und nickte, dann
stellte er sich vor dem Chorgestühl auf wie ein Prediger, der zu
seiner Gemeinde sprechen will.
»Bruder Alcuin mußte sterben«,
begann er, »weil er etwas über das Generalkapitel
wußte.«
»Was denn?« fragte Bruder Henry
flehentlich, und seine großen, dunklen Augen blickten bang. Der
junge Theologe beugte sich vor. »Was wußte Alcuin, das seinen
schrecklichen Tod zur Folge hatte und alle diese grauenvollen
Ereignisse? Was ist so gefährlich an dem, was ich geschrieben
habe?« Er funkelte die Inquisitoren an.
»Deine Schriften enthalten
Ketzerei«, erklärte William de Conches über die
Schulter.
»Nein.« Athelstan hob die Hand.
»Lassen wir das einstweilen. Bruder Henry, ich kann deine Fragen
nicht beantworten. Ich kann nur vermuten, daß Bruder Bruno an
Alcuins Statt sterben mußte. Das wußte der Sakristan; er bekam es
mit der Angst zu tun und kam hierher, um zu beten.«
»Das hat er oft getan«, murmelte der
Prior. »Er sagte, das sei einer der Vorteile, wenn man Sakristan
sei: Man könne ohne Unterbrechung beten und arbeiten.«
»Genau«, bestätigte Athelstan. »Am
Tag seines Todes kam Alcuin in die Kirche und verschloß wie immer
die Türen. Er begab sich hinter den Hochaltar und kniete auf dem
Betstuhl nieder, um zu beten, auch für den Seelenfrieden des armen
Bruno. Was Alcuin aber nicht wußte, war, daß sich noch jemand in
der Kirche aufhielt.«
»Wo?« fragte Bruder
Henry.
»Eine gute Frage!« rief Eugenius.
»Und hat Alcuin sich von seinem Mörder überfallen lassen, ohne
Widerstand zu leisten?«
»Nein. Deshalb habe ich gesagt, er
kniete auf dem Betstuhl. Der einzige Ort, wo ein Mörder sich
verbergen konnte, war die Apsis; dort konnte er in einer der
Nischen stehen. Dort stehen zwar Statuen, doch wie oft würde jemand
wie Alcuin sie genauer betrachten? Sie sind lebensgroß, sie gehören
zur Kirche. Aber an diesem Tag stand auch der Mörder dort, in einem
dunklen Mantel, stumm und reglos wie eine der Statuen.« Athelstan
schwieg, und alle reckten die Hälse, um über den Altar hinweg zu
den Nischen zu spähen, von denen er redete.
»Tief genug sind sie auf alle
Fälle«, bemerkte Bruder Niall. »Ja, du hast recht, Athelstan. Wenn
ein Mann in dunklem Gewand in diesem trüben Licht dort stände,
könnte er eine ganze Weile unbemerkt bleiben.«
»Der Mörder glitt heraus«, fuhr
Athelstan fort, »und ermordete Alcuin. Wie lange könnte das
gedauert haben, Sir John?« Sir John verzog das Gesicht. »Nicht mehr
als ein paar Augenblicke. Das Schreckliche am Dolch ist nicht nur
der Schreck, den er hervorruft, sondern auch die Schnelligkeit, mit
der er tötet.«
Athelstan beobachtete die Gesichter
der Anwesenden, um zu sehen, wie sie auf Cranstons Lüge reagierten,
aber er bemerkte nichts Auffälliges.
»Der Rest war einfach«, fuhr er
fort. »Der Mörder mußte Alcuins Leiche beseitigen. Heute morgen,
als ich vor dem Sarg des armen Roger betete, fiel mir auf, wie tief
er war. Der Mörder muß das gleiche bemerkt haben. Vielleicht hatte
er zunächst einfach vorgehabt, den Toten in das Grabgewölbe zu
werfen, aber es war ja leicht, statt dessen die Verschlüsse an
Bruder Brunos Sarg zu öffnen. Darin war Platz genug, um Alcuin
hineinzuzwängen und den Deckel wieder zu verschließen.«
»Aber der Sarg wurde dadurch
schwerer«, wandte William de Conches ein.
»Sicher, aber würde man das
bemerken?« erwiderte Athelstan. »Oh, wir haben es bemerkt, als wir
den Sarg heute morgen herausheben wollten; aber bedenkt, der Sarg
wird nach der Totenmesse und dem letzten Segen in das Gewölbe
hinabgelassen. Wie lange dauert das, Pater Prior?«
»Nur ein paar Minuten.«
»Den Laienbrüdern würde das Gewicht
sicher auffallen, aber da es beim Hinunterlassen des Sarges keine
besondere Anstrengung bedeutet, würden sie es für Einbildung halten
und nicht weiter beachten.« Athelstan verstummte und schaute wieder
über den Altar hinweg. »Jetzt war der Mörder in der Kirche
eingeschlossen. Ich vermute, wenn wir den Leichnam des armen Alcuin
noch einmal untersuchen, werden wir feststellen, daß seine
Schlüssel fort sind. Der Mörder dürfte sie genommen und später
weggeworfen haben. Aber Rogers Auftauchen störte ihn, und er
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