Die Salzbaronin
Untersuchungen durch, die mit Sole und dem Abbau von Salz zu tun haben.«
»Medizinische Untersuchungen, die mit Salz zu tun haben?« Viola runzelte die Stirn. Mit jedem Satz erschien ihr Georgs Freund gewöhnlicher. Dabei hatte sie sich gerade erst in den Gedanken verliebt, eine berühmte medizinische Kapazität als Tischnachbarn zu haben!
»Warum waren Sie drei Tage in einem Soleschacht? Was haben Sie dort getan?« Martin Richtvogels Bemerkung schien auch Dorothea stutzig gemacht zu haben.
Erschrocken sah Viola zu, wie Dorothea sich mit beiden Ellenbogen auf den Tisch stützte.
»Ich war nicht im Soleschacht. Von einem Bergwerksschacht redete ich. Derzeit führe ich eine Untersuchung durch, ob Steinsalz bei Hautkrankheiten ebenso einzusetzen ist wie Salzwasser. Ein befreundeter polnischer Graf, dessen beide Kinder von Geburt an unter blutiger Krätze leiden, finanziert das Ganze.« Martin Richtvogel schnitt ein Stück seines Pfirsichs ab. Als er aufschaute, trafen ihn lauter fragende Blicke. Er stutzte. »Wisst Ihr das denn nicht?« fragte er dann ungläubig. »Dass in Polen das Salz bergmännisch abgebaut wird? Und zwar in solch großen Mengen, dass es wirklich unglaublich ist.«
Dorothea, die gerade angesetzt hatte, einen Schluck Wein zu trinken, prustete diesen wieder zurück in ihr Glas.
Viola Schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gen Himmel.
Auch Richtvogel schaute konsterniert in Dorotheas Richtung. Nach einer kurzen Pause sprach er jedoch weiter. »Das ist im Grunde nichts Neues: In Tirol soll das weiße Gold schon in vorgeschichtlicher Zeit direkt aus dem Berg geholt worden sein.« Er spießte ein neues Stück Pfirsich auf seine Gabel und betrachtete es wohlwollend, bevor er es in den Mund schob.
»Das glaube ich Ihnen nicht! Welchen Bären wollen Sie uns denn hier aufbinden?« fragte Dorothea heftig, ohne sich um Viola oder jemand anderen zu kümmern. Ein kleiner roter Tropfen des Weines war von ihrem Mundwinkel hängengeblieben und sah aus wie verschmiertes Blut.
Richtvogel schien es für den Augenblick die Sprache verschlagen zu haben.
»Martin lügt nicht. In Polen gibt es schon seit etlichen Jahren Steinsalzbergwerke«, antwortete Georg aufbrausend, bevor sein Gast etwas sagen konnte. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Er versteht vom Salz vielleicht mehr als wir alle zusammen!« Er suchte Richtvogels Blick, doch dieser weigerte sich, etwas in eigener Sache zu sagen.
Jetzt reichte es! Nicht nur, dass Dorothea bei Alexander den schlechtmöglichsten Eindruck hinterließ - nun hatte sie auch noch Georg verärgert! Viola stieß Frederick unter dem Tisch an, der sich gerade erneut sein Glas mit Portwein füllte. Doch er schaute sie lediglich verständnislos an.
»Vielleicht sollten wir Damen uns jetzt zurückziehen.« Viola bemühte sich um einen mütterlichem Ton, der die aufgeregten Gemüter beruhigen sollte. Was war aus ihrer reizenden Tischrunde geworden? »Was haltet ihr davon, wenn Luise für jeden ein Glas Branntwein …«
»Aber wie?« fragte Dorothea in drängendem Ton und ließ ihre flache Hand auf den Tisch fallen. »Wie kann das gehen? Salz direkt aus dem Berg zu holen?« wiederholte sie ihre Frage und hängte gleich noch eine weitere an. »Und was ist mit der Sole?«
»Es funktioniert, und zwar manierlich. Sonst wäre der Salzabbau in Wieliczka längst zu Grabe getragen worden. Wo kein Wald ist, kann keine Sole gefördert und Salz ausgekocht werden. Die Polen haben also nur aus der Not eine Tugend gemacht, eine Kunst, die diesem Volk übrigens sehr zu eigen ist.« Obwohl er sichtlich bemüht war, ein Grinsen zu unterdrücken, wurden die Grübchen um Martins Mund herum tiefer. Er schien über Dorotheas Fragerei amüsiert zu sein! Viola atmete auf. Einen Augenblick lang hatte sie damit gerechnet, Georgs Gast würde die Tafel verlassen.
Schweigen. Gläserklirren. Im Türrahmen erschien Luise. Viola überlegte, ob sie ihren Vorschlag, die Damen mögen sich erheben, wiederholen sollte.
Doch Dorothea kam ihr zuvor. Langsam drehte sie ihren Kopf zu Georg hin. »Und - du - weißt - das - schon - lange?« Jedes Wort kam ihr schwerfällig über die Lippen. »Dass es neben der unsrigen noch andere Arten gibt, Salz zu gewinnen?«
»Ja!« Georg lachte und zuckte mit den Schultern. »Was interessiert dich das überhaupt? Und was hat Polen mit uns zu tun?« Er schaute fragend in die Runde und erntete von Frederick dafür ein schallendes Lachen.
»In Polen soll es eine sehr gute
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