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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Wirtin ins Ohr: »Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo der … Abort ist?«
    »Der Abort? Oh, Sie meinen das Häuschen!« Die Frau lachte verständnisvoll. »Gehen Sie einfach durch diese Tür nach hinten hinaus, dann sehen Sie es schon. Ihr Gepäck können Siegern hier lassen, meine Tochter bringt es derweil auf Ihr Zimmer.« Sie nickte in Richtung einer jungen Frau, die mit einem Stapel schmutziger Teller aus dem Gastraum kam. Sie zog ihr rechtes Bein ein wenig nach, wodurch ein seltsames Schlurfgeräusch entstand.
    »Da wäre noch etwas …« Hannah holte tief Luft. Wenn sie jetzt nicht fragte, würde sie vor Anspannung platzen. »Wo kann ich Helmut Kerner finden? Den Samenhändler?«
    »Den Helmut?« Die Wirtin runzelte die Stirn. »So viel ich weiß, ist der gestern von der Reise zurückgekommen. Sein Bruder auch. Bestimmt schauen die heute Abend hier noch vorbei. Da haben Sie Glück – normalerweise gehören die beiden zu denen, die erst an Ostern heimkehren, aber dieses Jahr …« Sie zwinkerte vertraulich. »Wo doch bald die Hochzeitsglocken klingen werden …«
    »Die Hochzeitsgl …« Mehr brachte Hannah nicht heraus. Ihr war von einem Moment zum anderen so schwindlig, dass sie sich am Tresen festhalten musste.
    Die Wirtin verzog das Gesicht. »Ja, ja, es hat viele überrascht, dass da endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Andererseits: Ein Wunder ist’s nicht, schließlich ist der Helmut auch schon fünfundzwanzig.«
    Fluchtartig rannte Hannah durch die Tür.

3
    Seraphine kniff die Augen zusammen. Schon drei Mal hatte sie versucht, den Faden durch das winzige Nadelöhr zu bekommen – vergeblich. Wütend warf sie einen Blick auf die Ölfunzel, deren Schein ihren Arbeitsplatz nur spärlich ausleuchtete. Nicht einmal genügend Licht gab es in dieser elenden Hütte!Ihre zittrigen Finger ignorierend, startete Seraphine einen weiteren Versuch. Endlich! Mit einem Seufzer begann sie, in dem riesigen Stoffberg vor sich zu wühlen.
    »Du fängst doch nicht etwa schon wieder mit deiner Näherei an?«, kam es vom Herd. »In ein paar Minuten ist die Suppe warm, dann wird gegessen. Und wenn du schon nähen musst, dann bedien dich bitte da drüben. Du hast doch gehört, was die Müllerin gesagt hat. Sie will die Sachen übermorgen wiederhaben.«
    Seraphine warf erst ihrer Mutter, dann dem Stapel Flickwäsche, der heute Mittag bei ihnen abgegeben worden war, einen Blick zu.
    »Die Müllerin soll sich nicht so anstellen. Ich habe mir vorgenommen, heute Abend den Rocksaum mit Spitze zu besetzen.«
    Sie breitete den Stoffberg auf dem Tisch vor sich aus und wollte gerade mit ihrer Arbeit beginnen, als der penetrante Kohlgeruch, der vom Herd aufstieg, sie in der Nase kitzelte. Sie verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse und deckte hastig die Näharbeit mit einem alten Tuch ab. Am Ende würde ihr Kleid noch nach Kohl stinken! Doch schon im nächsten Moment glättete sich Seraphines Miene wieder, wie immer, wenn sie das Kleid in die Hände nahm.
    Ihr Hochzeitskleid.
    Wie viele Stunden Arbeit darin steckten! Das ganze Oberteil war mit kleinen, silbrig glänzenden Perlen bestickt, die der Vater ihr von seiner letzten Reise mitgebracht hatte. Die Ärmel waren mit vier Schichten feinster Spitze verziert, zwei verschieden breite Spitzen zierten auch den Ausschnitt. Den Rock hatte Seraphine in Dutzende von Falten gelegt, allerfeinste Falten, eine haargenau so breit wie die andere und jede exakt mit dem Bügeleisen geplättet. Allein an dem Rock hatte sie den ganzen Sommer und Herbst über gearbeitet.
    Ein warmer Schauer durchfuhr Seraphine. Wie eine Königin würde sie darin aussehen. Oder wie eine Prinzessin. Die Mondprinzessin. Verstohlen holte sie ihren Zopf über die Schulter nach vorn und hielt ihn gegen den Stoff. Der seidige schwarze Taft ließ ihr Haar noch heller wirken. Wie gesponnenes Silber … Sie würde sich keine roten Apfelbäckchen malen, so wie die Tochter des Apothekers es bei ihrer Hochzeit getan hatte. Sie würde ihre Blässe tragen wie die vornehmen Damen. Apfelbäckchen – das war etwas für Bauerntrampel. Und sie war kein Bauerntrampel.
    Sie war Seraphine. Das schönste Mädchen im Dorf, so sagte jeder. Doch Seraphine hätte auch ohne die bewundernden Blicke der Männer, ohne die neidvollen Blicke der Weiber gewusst, dass ihre Schönheit ungewöhnlich war. Schließlich hatte sie Augen im Kopf. Keine besaß so glattes, seidiges silberblondes Haar wie sie. Keine hatte Augen in der Farbe

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