Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Miene, und ich beschloss, dies als Geheimnis für mich zu behalten.
In der letzten Woche, als ich mein Lager verlassen und ein wenig vor dem Fenster sitzen konnte, sah ich Taketsuna unter meiner Kammer über den Hof gehen, ohne dass er den Blick hob und nach mir sah. Ich war sicher, dass sein Groll immer noch da war und dass er mich mehr hasste denn je. Doch innerhalb dieser Klostermauern konnte er mir nichts mehr antun. Jedenfalls redete ich mir das ein, obwohl er ebenso gut in mein Zimmer schleichen und mich wie ein Schattenkrieger leise hätte töten können.
Als die fünf Wochen schließlich vorbei waren, konnte ich mich wieder ungehindert bewegen. Nur ab und zu spürte ich noch ein leichtes Ziehen, doch das würde, so versicherte mir Takeshi, vergehen.
Der Tag, an dem ich an meine Arbeit zurückkehrte und auch meine Übungen wieder aufnahm, war der Tag, an dem Taketsuna das Kloster verlassen musste. Ich hätte erwartet, dass es eine gemeinsame Verabschiedung geben würde, doch da täuschte ich mich. Sicher verabschiedeten sich die Brüder von ihm, auf jeden Fall jene, gegen die er keinen Groll hegte, doch wir wurden nicht zusammengerufen.
Dennoch sah ich, wie er zum Tor ging, aber eher aus Zufall denn aus Absicht. Eigentlich wollte ich mich nach der Küchenarbeit umkleiden, um zur Übungsstunde mit Hiroshi zu gehen. Ich warf einen Blick aus meinem Fenster, und da sah ich ihn. Er führte sein Pferd am Zügel, die Satteltaschen waren gut gefüllt. Wahrscheinlich hatte Satoshi ihm trotz allem reichlich Wegzehrung mitgegeben.
Als hätte er meinen Blick gespürt, wandte er sich um und sah zu mir herauf.
Nichts in seiner Miene deutete darauf hin, dass er zerknirscht war, das konnte ich sogar auf diese Entfernung erkennen. Er würde mir nie vergeben, dass er meinetwegen das Kloster verlassen musste. Doch ebenso wenig würde ich ihm vergeben, dass er versucht hatte, mich umzubringen. Wenn wir eines Tages erneut aufeinandertrafen, würde einer von uns sterben, so viel stand fest.
Nach einer Weile wandte er sich ab, doch ich konnte meinen Triumph nicht wirklich genießen. Auf einmal kam mir das Kloster viel zu still vor, nur der seltsame Brunnen war zu hören. Ich fragte mich, ob wir unter anderen Umständen Freunde hätten werden können. Doch mir wollte kein Bild in den Sinn kommen, das uns als Freunde oder Waffenbrüder zeigte. Schon der erste Moment im Wald, als wir unsere Waffen gegeneinander erhoben, hatte das unmöglich gemacht.
Hiroshi hatte gesagt, man solle auch seinem Feind vergeben, und deshalb blieb ich noch so lange am Fenster stehen, bis er durch das Tor verschwunden war. Natürlich würde Taketsuna denken, dass ich nun meinen Sieg auskosten würde, und ein wenig hatte er recht, aber ein bisschen bedauerte ich auch, dass alles so gekommen war.
Als sich die Tore hinter ihm geschlossen hatten, eilte ich zu meiner Truhe und zog die Kampfkleidung hervor. Hiroshi hatte gemeint, dass ich Taketsuna mit meiner Klinge ersetzen müsste, und dazu war ich bereit. Mein Ziel, meine Familie zu rächen, hatte ich nicht vergessen, aber ich wollte alles tun, damit die Mönche mir nicht die Schuld daran gaben, dass sie einen guten Krieger verloren hatten.
Mir fehlte die Zeit, um lange über Taketsuna und die Frage, ob ich ihn irgendwann wiedersehen würde, nachzudenken. Das Kloster wurde vor wichtige Aufgaben gestellt. Und diese drehten sich nicht um das Ergreifen von Räubern oder das Einschüchtern von Adeligen.
Bereits im Winter, während mir die Hände unter dem Wischwasser blau gefroren waren, hatte ich gehört, wie der Abt davon sprach, dass die Taira erneut gegen die Minamoto ins Feld ziehen wollten. Fürst Yorimasa sei höchst besorgt, aber entschlossen, die Feinde in die Schranken zu weisen, wenn sie vorhätten, in sein Land einzufallen.
Da das Kloster auf dem Berg Hiei den Minamoto, die Abkömmlinge des Kaisers Seiwa waren, die Treue geschworen hatte, war mir klar, dass wir früher oder später in den Kampf ziehen mussten.
Eines Tages, draußen auf dem Tempelhof rief schon seit dem Mittag beständig ein Kuckuck seinen Namen, belauschte ich ein höchst seltsames Gespräch.
Ich war gerade dabei, die hinterste Ecke des Tempelraumes zu wischen, als plötzlich ein paar Männer eintraten. Da ich hinter dem großen Wandschirm verborgen war, bemerkten sie mich zum Glück nicht. Um nicht doch von ihnen entdeckt zu werden, kauerte ich mich hinter der Wand zusammen und wagte kaum zu atmen. Nicht auszudenken, wenn
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