Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
der Abt glaubte, dass ich mutwillig lauschte!
Wenig später ertönte auch schon seine Stimme.
»Dann entsprechen die Gerüchte der Wahrheit?«
Ich konnte nicht sehen, wer die Männer waren, aber sie rochen nach Leder, Schweiß, Metall und Pferd. Das waren keine Mönche, das waren Krieger. Und sie hatten nicht nur einen langen Weg hinter sich, sie hatten auch überaus wichtige Nachrichten für das Kloster.
»Ja, es stimmt, Takeshi-san. Die Taira rücken erneut gegen die Minamoto. Unser Herr, Yorimoto, ist gerade dabei, ihm wohlgesinnte Clans um Unterstützung zu bitten. Mit ihnen will er sich am Ufer des Flusses Fujigawa treffen, um einen Pakt zu schließen. Es ist anzunehmen, dass die Taira versuchen werden, dieses Treffen zu verhindern.«
Unser Abt schwieg darauf eine ganze Weile. Ich hatte gut zu tun, meinen Körper im Zaum zu halten, damit ich nicht aus Versehen eine Bewegung machte, die meine Anwesenheit verriet. Takeshi mochte mir gütig gesinnt sein, aber er würde mich sicher fürs Lauschen bestrafen.
»Nun, dann übermittelt Fürst Yorimoto meine besten Grüße und versichert ihm, dass er mit der Unterstützung unseres Klosters rechnen kann. Wir müssen nur erfahren, wann wir uns an besagtem Ort einfinden sollen.«
»So bald wie möglich«, entgegnete Yorimotos Abgesandter. »Am besten, Ihr zieht Eure Vertrauten noch heute zurate und bereitet alles für den Abmarsch vor.«
»So schnell soll es also gehen.« Takeshis Stimme verriet keine Überraschung, aber er klang sehr nachdenklich. So wie an jenem Tag, als ich ihm den Shuriken überreicht hatte und damit klar geworden war, dass die Schattenkrieger ins Kloster eingedrungen waren.
»Nun gut, dann teilt dem Fürsten mit, dass wir in Kürze das Kloster verlassen werden. Natürlich müssen noch ein paar Vorkehrungen getroffen werden, aber wir werden unser Möglichstes tun, um mit unserer gesamten Kampfkraft für die Minamoto einzustehen.«
Damit schienen die Reiter zufrieden zu sein, und gerne folgten sie dem Abt in sein Quartier, um Tee mit ihm zu trinken.
Obwohl ich nun frei war, verharrte ich noch eine Weile hinter dem Wandschirm. Wir würden gegen die Taira ziehen.
Das zweite Gespräch belauschte ich am Abend, wiederum ohne Absicht und ohne die Möglichkeit, mich davonzustehlen. Ich kehrte gerade den Versammlungsraum, als sich zwei Mönche näherten. Zunächst glaubte ich, dass meine Brüder ihr Gebet nachholen wollten. Doch dann vernahm ich den vertrauten Schritt von Hiroshi und Takeshis bedächtiges Ausschreiten.
Wieder versteckte ich mich hinter einem Wandschirm. Das dunkel gefärbte Reispapier war mit weiß-goldenen Reihern vor dem Hintergrund eines von Bergen umstandenen Sees bemalt. Doch heute fesselten mich weniger die Bilder als das, was Takeshi und Hiroshi miteinander besprachen.
»Hiroshi, was ist mit deiner Vision?«, fragte der Abt im Flüsterton, als fürchtete er, belauscht zu werden.
Hiroshi hatte Visionen? Für mich war er ein Mann des Schwertes, nicht der Vorhersagen. Er war spöttisch, seine Worte konnten manchmal giftig sein, aber er hatte absolut nichts von der geheimnisvollen Aura eines Wahrsagers.
»Es erfüllt sich alles so, wie ich es gesehen habe«, antwortete er. »Ich glaube, wir können sehr hoffnungsvoll sein.«
Takeshi sagte darauf eine ganze Zeit nichts. Ich deutete dieses Schweigen als Nachdenklichkeit. Gleichzeitig hätte ich nur zu gern gewusst, was Hiroshi gesehen hatte. Hatte es mit den Taira zu tun? Mit dem Kampf, in den wir bald ziehen würden?
»Dann hoffe ich sehr, dass die Götter auch weiterhin die Gnade haben und erfüllen, was sie dich haben sehen lassen. Auch wenn das schwere Zeiten bedeutet.«
Schwere Zeiten? Also hatte es etwas mit den Kriegern zu tun, die am Nachmittag hier aufgetaucht waren.
»Diese Gnade werden sie uns gewähren, da bin ich sicher, Meister. Und ich werde mein Möglichstes dafür tun.«
Warum drückten sie sich nur so schleierhaft aus? Spürten sie, dass sie belauscht wurden?
Offenbar wurde es Zeit, dass ich von hier verschwand. Bei der unbequemen Haltung, in der ich verharrte, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich gegen den Wandschirm kippte oder mich auf andere Weise verriet.
Irgendwie schaffte ich es, mich lautlos zu erheben und dann zum Hintereingang zu schleichen. Hiroshi und Takeshi redeten noch weiter, doch dem schenkte ich keine Beachtung mehr. Als ich in meinem Quartier angekommen war, versuchte ich mir vorzustellen, was Hiroshi gesehen haben konnte. Ob er
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