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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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anderen lief ihnen über den Körper, vom Pimmel bis zu den Haarspitzen. Es war absolut finster im Inneren der Röhre, und man stellte sich allmählich schauerlichste Sachen vor: Eine träge, fette Tarantel mit haarigen Beinen baumelte an der Oberseite der Röhre, und dann mit einemmal ließ sie sich fallen und ging zum Angriff über! Spinnenaugen glühten, und Spinnenzähne schienen zu klappern wie die Steine der Gangster.
    Sie starrten stur geradeaus, und die Zeit war anscheinend stehengeblieben. Man hatte das Gefühl, mit geschlossenen Augen in einen Sarg zu gucken. Renee sah dauernd von einem Röhrenende zum anderen, um irgendwo einen Schimmer zu erhaschen und die Gewißheit zu kriegen, daß es da draußen noch eine andere Welt gab. Er kriegte sie, als ein Eselhase in Todesangst schauerlich schrie. Dann der triumphierende Schrei eines Falken. Dann Stille.
    Das Zirpen einer einsamen Grille hörte sich an wie das Zuschnappen einer Handschelle. Ein Zirpen von weiter her erinnerte an Füßescharren. Dann schrilles Sirren von vorbeifliegenden Moskitos. Dann Stille.
    Nach über einer Stunde, die ihnen allen wie drei Stunden vorkam, hörten sie, daß sich jemand dem Südende der Röhre näherte. Die Vorstellung machte sie verrückt: ein Gangster mit verfaultem schwarzem Gaumen, dem der Geifer durch die Zahnlücken lief und der nach Müll stank.
    Es war nur irgendein Mann. Vermutlich ein Pollo. Er schaute in die Röhre und sah Manny. Er fragte, auf wen sie warteten. Manny sagte, sie warteten auf den Führer. Der Mann nickte und ging weiter.
    Eine weitere Stunde schlich dahin. Die Zeit kroch so langsam vorbei wie die schwarzen, pelzigen Spinnen. Man hörte nur das Zirpen der Grillen und ganz leise Musik von weit her und das Fallen der Schweißtropfen auf ihren Schuhen. Es gab mehr als einen Barfer, der sich ausmalte, wie massiv er Manny demnächst die Meinung geigen würde. Es gab Grenzen hinsichtlich dessen, was das Police Department und die ehrbaren Bürger von San Diego von einem erwarten konnten. Bis vor kurzem wäre ihnen so was nie in den Sinn gekommen.
    Während sie ununterbrochen solche Gedanken wälzten, sich dauernd vorstellten, wie wunderbar ein kaltes Bier schmecken müsse, und sich immer häufiger fragten, ob sie jemals diesen Gestank von Pisse und Scheiße aus den Klamotten und der Nase kriegen könnten, war Manny mit einemmal verschwunden. Spurlos verschwunden! Scheinbar aufgelöst in Rauch und Dunst. Gerade noch hat ihn jeder gesehen, im nächsten Moment sieht ihn keiner mehr.
    Die Barfer, die in dieser Röhre gesessen hatten, erzählten die Geschichte noch am gleichen Abend etlichen Detectives und den Kollegen.
    Eddie Cervantes, der am dichtesten bei Manny gesessen und allenfalls eine Sekunde lang nach Norden geschaut hatte, berichtete: »Es passierte von jetzt auf gleich! Da hat sich effektiv nichts bewegt! Und dann, verdammt, wirklich von einem Augenblick zum anderen IST LOPEZ DRAUSSEN! Er ist da draußen, Mensch! Draußen!«
    Renee Camacho sagte: »Kann man das begreifen, was da passiert ist? Er war gerade noch da, und dann mit einemmal IST ER WEG!«
    Tony Puente sagte: »Genauso war's. Manny war einfach verschwunden!«
    Wenn man sich mit den Leuten der BARF Squad einzeln unterhält, sowohl mit denen, die in der Drainageröhre dabei waren, als auch mit denen, die nicht drin waren, wird einem schnell klar, daß das Erlebnis in den sowieso recht ambivalenten Beziehungen der Männer zu ihrem Anführer Manny Lopez einen Wendepunkt darstellte. Entweder änderten sich die Gefühle total, oder sie wurden stärker, unabhängig davon, was sie vor Mannys Verschwinden empfunden hatten.
    Manny hatte sich deshalb in Dunst aufgelöst, weil sein Widersacher, der genau seine Größe hatte und so alt war wie er, unerhört stark war. Manny Lopez hatte wie alle anderen dagesessen und schweigend den Gestank und den Dreck und die Dunkelheit ertragen, als in der Röhrenöffnung ein Schatten aufgetaucht war. Manny hatte nichts gehört. Der Schatten war mit einemmal da. Dann der Kopf eines Mannes. Der Kopf trug eine Skimaske. Der Kopf stank nach Müll.
    Manny konnte nicht mal mehr mit den Fingern schnalzen oder Eddie Cervantes was zuflüstern. Er hatte auch nicht mehr die Zeit, den Revolver zu ziehen. Er hatte nicht mal Zeit, zu kapieren, wessen Kopf das war, als der Kopf flüsterte: »Wie isses denn so?«
    Gleich darauf hatte der Kopf einen Arm, und der Arm griff nach innen und umschloß Mannys Arm wie ein Schraubstock, und

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