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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Manny? Wo ist Manny?«, während ihn eine Stimme aus seinem Funkgerät anbrüllte, und Carlos Chacon stand auf der nördlichen Seite des Grenzzauns und schrie: »Wo ist Lopez?«
    Dann hörten sie Manny brüllen: »Ich hab Loco erwischt! Ich brauche Hilfe!« Manny Lopez und El Loco schienen sich auf dem Grabenboden halbtot zu schlagen.
    Dann PLOMM PLOMM PLOMM PLOMM!
    Vier Kugeln, die plötzlich auf die Barfer abgefeuert wurden, prallten vom Grenzzaun ab und flogen in alle Richtungen. Obgleich Loco, wie sich zeigte, schwer verletzt war, leistete er nicht bloß auf dem Rückweg am Grenzzaun entlang zum nächsten Loch heftigen Widerstand, sondern wehrte sich sogar dann noch, als Manny ihm den Revolver über den Schädel schlug und ihn nach drüben zerrte. Dann erst wurde sich Loco bewußt, daß er wirklich schlimme Schmerzen hatte, worauf er schreiend zu fluchen begann.
    Tony Puente hörte ein BOP! und ein WANG!, als ein weiteres kleinkalibriges Geschoß abprallte, und über ihren Köpfen kam mit Gedonner und Geknatter der Hubschrauber der Border Patrol angeflogen.
    Gleich darauf hörte Carlos Chacon, daß aus der Dunkelheit im Bereich südlich der Grenze noch vier Schüsse in ihre Richtung abgefeuert wurden.
    Nachdem sich dieses ganze Höllentheater ein bißchen gelegt hatte und Loco glücklich auf amerikanischem Boden war, stürmten die Zweitbesetzung und das Hilfsteam in den Canyon, und alle sammelten sich um den verletzten Gangster, der flach auf dem Rücken lag und mittlerweile die volle Wirkung von Mannys Geschoß spürte, das ihm den Oberschenkel zerschmettert hatte und in der Hüfte steckengeblieben war. Irgendeiner leuchtete ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht, und Manny riß ihm mit einem Ruck die Skimaske herunter, damit jeder mal einen Blick auf ihn werfen konnte.
    Er war dreckig, bärtig und ganz zugewachsen. Alle paar Sekunden schrie er wegen seiner unerträglichen Schmerzen. Und wenn's ein echter Wildwestfilm gewesen wäre, hätten die siegreichen Revolverhelden für den zur Strecke gebrachten Gegner inzwischen wohl ein bißchen Mitgefühl zum Ausdruck bringen müssen. Aber Manny Lopez hatte nicht viel für Westernfilme übrig, ausgenommen allenfalls Der schwarze Falke, wo John Wayne den besiegten Feind skalpiert.
    Manny Lopez, der in etwa das Mitgefühl eines Mafia-Heckenschützen besaß, kniete über dem sich vor Schmerzen krümmenden Gangster und sagte etwa folgendes: »Ich wünsch dir, daß du am Brand krepierst. Ich wünsch dir, daß dir deine Knochen abfaulen. Ich wünsch dir, daß es weh tut wie Krebs.«
    Nachdem Loco ins Hospital gebracht worden war, passierten einige sehr interessante Dinge. Unter anderem erfuhren sie endlich, warum er immer eine Maske getragen hatte. Sein Name war Sanchez, und er war vor allem darum so bemüht gewesen, unerkannt zu bleiben, weil er aus dem California State Prison von Lompoc geflohen war. Er hatte keinen Ärger mit amerikanischen Gesetzeshütern haben wollen, die nach geflüchteten Gefangenen Ausschau hielten.
    Als Loco bereits im Krankenhaus lag, ließ er einem Barfer gegenüber eine Äußerung fallen, die, wie sie alle sagten, von größter, wenngleich völlig unfreiwilliger Komik war. Loco äußerte: »Bildet euch bloß nicht ein, daß alles vorbei ist, nur weil ihr mich erwischt habt. Sagt Lopez, daß er das nie stoppen kann.«
    Die Barfer fühlten sich nach all dem Streß und der ganzen Anspannung mit einemmal regelrecht erleichtert, als sie das zu hören kriegten. Es war das Komischste, was sie seit langem gehört hatten.
    Einer von ihnen sagte: »Warum habt ihr dem blöden Scheißer nicht erzählt, daß sich Manny einen Scheißdreck dafür interessiert, ob demnächst jeder Pollo zwischen hier und Yucatan umgebracht wird? Warum habt ihr dem blöden Scheißer nicht erzählt, daß Manny im Moment am Telefon hängt und seine Presseerklärung abgibt? Warum habt ihr ihm vor allem nicht erzählt, daß es nie zu Ende ist, wenn's nach Manny geht?«
    Kurz darauf stellten sie fest, daß sie mit der Ansicht, Gangster würden nach Müll stinken, reichlich schiefgelegen hatten. Dieser Irrtum wurde ihnen bewußt, als Manny ihnen in der Substation die vereiterten Einstiche und Pusteln am Arm eines süchtigen Gangsters zeigte, den gerade die Zweitbesetzung angeschleppt hatte. Mit einer fast unmenschlich niedrigen Stirn und seinen eingefallenen und von Schleim verstopften Nasenlöchern, seinen wie mit Moos begrünten, vergammelten Zähnen und seinem schon wie verfault und

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