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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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unheimlich gewesen, daß da draußen zwar so mancher Mensch niedergeschossen, aber keiner umgebracht worden war. Das Ganze hatte eine beunruhigend große Ähnlichkeit mit dem andauernd wiederkehrenden Polizistenalptraum, in dem der Killer bis zuletzt nicht tot zu kriegen war, unabhängig davon, wie häufig man ihn getroffen hatte. Jetzt jedoch, nachdem endlich doch mal zwei Gangster gestorben waren, wurden ein paar von ihnen heimlich von einer Woge der Erleichterung überschwemmt, weil ihnen sofort die Ankündigung des Chiefs of Police eingefallen war, er werde das Experiment abbrechen, sobald irgend jemand zu Tode gekommen sei.
    Im tiefsten Inneren seines Herzens betete manch einer, der Chief möge auch den Tod von zwei Gangstern als Voraussetzung dafür gelten lassen, daß das Gottesgericht abgebrochen werden mußte, bevor es sie alle tötete.
    Tatsächlich, er tat es. Und in den nächsten beiden Monaten fühlten sie sich wie neugeboren. Natürlich gab es für Leute, die derartig lange keinen normalen und vernünftigen Polizeidienst mehr gemacht hatten, einige Anpassungsprobleme. In der Hinsicht jedenfalls bereitete Manny Lopez die hohen Tiere vor allem darauf vor, daß seine Männer, obgleich sie ja nun wieder reguläre Aufgaben übernommen hätten, gelegentlich durchaus mal überreagieren könnten.
    Das war jetzt die Zeit der Beichten. Und es gibt keinen Menschen auf der ganzen Welt und keinen in der Geschichte, nicht den heiligen Augustinus, nicht den heiligen Paulus nach den Prügeln, die er auf der Straße nach Damaskus von einem Gangster oder sonst wem bezogen hatte, und nicht mal einen im Vatikan selbst, der das Beichten jemals so nötig gehabt hätte wie ein am Glauben irre gewordener und am Streß zerbrochener amerikanischer Durchschnittscop. Der ist wirklich ununterbrochen und unangefochten Weltmeister im Beichten. Wenn man dem erst einmal eine Chance gibt, kann er mit dem Beichten effektiv nicht mehr aufhören. Er singt und ergießt sich in kürzester Zeit zehnmal lauter und zehnmal länger als der eifrigste Bekenner bei einer Vernehmung mit Hilfe von Limonade durch die judiciales.
    Jeder, der in einem Police Department schon mal als »Kopfjäger« bei der Abteilung für interne Angelegenheiten gearbeitet, Ermittlungstätigkeiten in polizeilichen Angelegenheiten beim District Attorney durchgeführt oder in einer der millionenfach oder sogar noch häufiger gebildeten »Crime Commissions« gesessen hat, wundert sich heute noch über die unglaubliche Beichtbereitschaft von Polizeibeamten. Es gehört zu ihrer Natur, und es ist das, was sie auf manchmal erschreckende Weise zu Opfern werden läßt, vor allem, weil sie in der Regel viel zu macho sind, um von Fall zu Fall zu begreifen, daß sie überhaupt Opfer sein können. Deshalb ist bei Wiedersehensfeiern und Pensionierungspartys von Polizisten meist auch gleich am Anfang die Rede davon, warum so mancher alte Klassenkamerad wieder mal in die Mündung seiner Kanone geguckt und dann abgedrückt hat.
    Auf jeden Fall, die Barfer packten aus. Die einen oder anderen Ehefrauen weinten derart laut, daß man es in der ganzen Stadt hörte, als die Jungs ihnen von den Kellnerinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen und vor allem von diesen Blutsäuferinnen und geriatrischen Freudenspenderinnen erzählten, die von den Mythen und Legenden Amerikas förmlich wie verhext gewesen und buchstäblich Amok gelaufen waren, um wenigstens etwas davon hautnah zu erleben. Und daß sie es schrecklich leid seien, als die letzten Revolverhelden gefeiert zu werden, und bloß noch den Wunsch hätten, zur Ruhe zu kommen und ganz normale, vernünftige Cops, Ehemänner und Väter zu sein. Mea culpa, mea culpa.
    Nach all den vielen Tränen und Geständnissen und Vergebungen versuchten schließlich einige der von Haus aus eher charakterschwachen Barfer, sich nun doch mal echt zusammenzureißen, indem sie versprachen, daß die Dinge sich ab sofort von Grund auf ändern, die ständigen Saufereien ein Ende haben und sie ihr ganzes Leben lang nie wieder eine andere Frau angucken würden. Mea maxima culpa.
    Dann aber stachen, ausgerechnet am 1. April, den BARF-Ehefrauen in den Zeitungen von San Diego einige unheilverkündende Schlagzeilen ins Auge. Die zum Beispiel: WACH-SENDE AKTIVITÄT DER GRENZGANGSTER.
    Am 5. April wurde im westlichen Grenzbereich ein Grenzgängerjunge rücksichtslos erschossen.
    Am 12. April waren die Revolverhelden glücklich wieder in den Bergen und wirbelten wie

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