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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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völlig schnuppe! Scheiß drauf!«
    »Na gut«, sagte Ken Kelly, »ich wollte dir ja auch nur sagen, daß ich ihn in deinem Namen Gott empfohlen habe. Ich wollte dir das bloß sagen.«
    Joe Vasquez indessen gab keine Antwort mehr. Und er redete auch später weder mit Ken Kelly noch mit irgendeinem anderen Barfer über die Sache.
    Wenn Big Ugly redete, klang es grundsätzlich immer sehr ehrlich und zugleich etwas stockend. Als er irgendwann doch mal über diesen Abend redete, meinte er: »Eigentlich ist das ne verrückte Sache. Da hat man einen getötet, und dann wird man von den Leuten mehr oder weniger beglückwünscht. Es ist kaum zu glauben. Ernie war am Telefon gewesen, und er kam anschließend rein, schüttelte mir die Hand und sagte: ›Gratuliere. Deinen ersten haste ja jetzt geschafft.‹«
    »Danke«, sagte Joe Vasquez zu Ernie. Dann jedoch sagte er sich: Die richtige Einstellung ist das sicher nicht. Er hielt gar nichts von dieser Einstellung.
    Joe Vasquez wußte, daß noch manche Fragen auf ihn zukommen würden. Die Leute würden fragen: »Was war das für ein Mensch, den du da getötet hast?«
    Aber Joe Vasquez würde nur sagen: »Ich weiß nicht. Ich erinner mich nicht. Ich kenn nicht mal seinen Namen. Er war irgendein Mexikaner. Irgend ein Junkie. Es ist mir tatsächlich egal, wie er hieß.«
    Joe Vasquez, der ausgeglichenste und unauffälligste aller Barfer, redete kurz mit seiner Frau über die Sache und einmal auch mit seinen Eltern. Alle meinten, er habe Tony Puente das Leben gerettet, und er gewann die Überzeugung, weitere Kommentare seien überflüssig.
    Später würde Joe Vasquez lediglich sagen: »Ich hatte eine ganze Weile daran zu knacken: Beispielsweise sagte ich längere Zeit: Na ja, ich hab auf den Kerl geschossen, und der ist dann gestorben. Ich meinte, er ist an seinen Verletzungen gestorben. Er ist gestorben. Ich konnte nie sagen, ich hab ihn getötet. Daß ich diesen Kerl getötet hatte. Ich brauchte echt ne Weile, bis ich soweit war, daß ich sagen konnte, ich hab den Kerl getötet.«
    Vor diesem Abend hatte Joe Vasquez draußen in den Canyons immer ein ständig wachsendes Gefühl von Erregung gespürt. Am Ende war es sogar nahezu unerträglich intensiv geworden. Und jetzt merkte er, daß es mit einemmal buchstäblich wie weggeblasen war.
    »Ich nehme an, das war mein letztes Hurra«, sagte Joe Vasquez. Und einige Dinge waren in seinen Augen nie mehr so wie früher.
    Joe Vasquez gebrauchte häufig Begriffe aus der Drogenszene, den Begriff »Quarter« etwa, ein fünfundzwanzigstel Gramm Heroin, das fünfundzwanzig Dollar wert war. In dieser seiner Sache machte er abschließend folgende Bemerkung: »Die wollten uns berauben, um Drogen kaufen zu können. Das hat dieser eine Überlebende den Detectives gesagt. Ich glaub, wenn ich gewußt hätte, daß der Kerl so dringend 'n Schuß braucht, wär ich losgezogen und hätt ihm 'n Quarter geklaut, jedenfalls bevor ich ihm das Leben geklaut hätte. Ich glaub das wirklich schon ne ganze Zeit. Irgendwie, wissen Sie, ist das wahrscheinlich für den Rest meines Lebens immer da. «
    Über Carlos Chacon, der den anderen Gangster getötet hatte, machte sich Joe Vasquez so seine Gedanken: »Carlos ist mir unheimlich. Er ist 'n verrückter Mensch. Er wird von Verrücktheiten unheimlich angetörnt.«
    Carlos Chacon sagte, er müsse dringend die neun Schrotkörner, Kaliber 32, haben, die die Pathologen aus der Brust seines Gangsters geholt hatten. Für eine Halskette. Vielleicht machte Carlos ja Witze. Tatsächlich jedoch besorgte er sich beim Coroner Bilder von der Autopsie des toten Gangsters. In den Erinnerungsalben einiger Barfer waren offenbar doch mehr Denkwürdigkeiten als in denen der anderen.
    Am nächsten Tag gingen sie allesamt mit den Detectives in den Canyon, um die Schießerei nochmal durchzuspielen, und dabei entdeckten sie etwas Bestürzendes. Der Hubschrauber hatte ja sämtliche potentiellen Beweismittel der Schießerei in den Canyon gewirbelt, aber genau an der Stelle, an der Carlos Chacon und Joe Vasquez die beiden Gangster getötet hatten, waren von den Einwohnern von Colonia Libertad Gedenkzeichen errichtet worden. Auf der Erde standen zwei aus Steinen errichtete Kreuze. So gedachten die Mexikaner der Toten, ganz egal, ob's dabei um einen Sperling oder um andere Canyonkreaturen ging.

 

    20. KAPITEL
    Die dunkle Grenze
    D ie BARF Squad hatte es also endlich geschafft, zwei Menschen zu töten. Es war allmählich ja auch fast schon

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